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Darwinfinken 2.0

Rekonstruktion der Zusammensetzung von Inselbiozönosen auf evolutionären Zeitskalen: Ein phylogenetischer Modellierungsansatz

Wie es die kleine Gründerpopulation von Vögeln auf die abgelegene Inselgruppe im Pazifik verschlug, ist nicht bekannt. Wir wissen aber, dass es wahrscheinlich vor zwei bis drei Millionen Jahren geschah. Und dass sich anschließend etwas vollzog, was als Musterbeispiel für Artenbildung in die Lehrbücher einging und Charles Darwins Gedanken „Über die Entstehung der Arten“ entscheidend voranbrachte.

Heute kommen 15 Arten der nach dem Begründer der Evolutionstheorie benannten „Darwinfinken“ auf den Galapagosinseln vor. Sie unterscheiden sich in Größe, Schnabelbau und Lebensweise, doch ihre Abstammung von gemeinsamen Vorfahren ist heute auch genetisch bestätigt. Und ein weiteres Instrument, das Darwin nicht zur Verfügung stand, liefert neue Einblicke.

Artenbildung in silico

„Mit unserem Computermodell können wir anhand genetischer Daten rekonstruieren, wie sich über Jahrmillionen Arten auf Inseln herausgebildet und wie sich die Artengemeinschaften verändert haben“, sagt Luis Valente, Projektleiter am Museum für Naturkunde.

Die genetischen Daten stammen von aktuellen Feldarbeiten oder auch Sammlungen in Museen. Als Ausgangsmaterial für die Modellierung liefern sie Informationen darüber, wann ein Insellebensraum besiedelt wurde und wie sich der Stammbaum der heute dort vorkommenden Arten aufgefächert hat.

Inseln sind aufgrund ihrer isolierten Lage und der überschaubaren Artenvielfalt ideale Untersuchungsobjekte. Valente erforscht weltweit ganz unterschiedliche Lebensräume und Tiergruppen, konzentriert sich jedoch auf ozeanische Inseln, die nie in Verbindung mit dem Festland standen.

Evolutionäres Gleichgewicht und Rechenpower

Eine Untersuchung der vorhandenen und bekannten ausgestorbenen Fledermausarten der Großen Antillen in der Karibik zeigte, dass sich ein evolutionärer Gleichgewichtszustand der Artenvielfalt einstellen kann. Die Artenzahl nähert sich mit der Zeit einer Obergrenze der Vielfalt an. Rund ein Drittel der Arten starb jedoch aus, seit der Mensch die Inseln besiedelte. Laut der Modellberechnungen würde es mindestens acht Millionen Jahre dauern, bis die vormenschliche Vielfalt wieder erreicht ist.

Valente plant seine Methodik auf weitere Inseln und Tiergruppen anzuwenden. „Wir können unsere Ergebnisse nutzen, den Schutz von evolutionär besonders wertvollen Inseln zu priorisieren“. Im Hinblick auf oft knappe Ressourcen für den Naturschutz sei es wichtig, sie möglichst effektiv einzusetzen.

Finanzierung

Deutsche Forschungsgemeinschaft - DFG