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Vom Magmaball zum blauen Planeten

Mond (c) ESA/NASA

TRR 170: Späte Akkretion auf terrestrischen Planeten

„Wenn wir wissen wollen, wo wir herkommen und warum es uns gibt, müssen wir auf dem Mond danach suchen und nicht auf der Erde“, sagt Kai Wünnemann, Planetologe am Museum für Naturkunde Berlin. Auf der Erde finde man wenig bis keine Spuren der Prozesse, die sie zu einem bewohnbaren Planeten gemacht haben. Untersuchungen des Mondes könnten dagegen zumindest indirekte Hinweise liefern. „Der Mond hat sich, anders als die Erde, seit seiner Entstehung nicht wesentlich verändert“, sagt Wünnemann. Er sei ein Zeitzeuge, der gleichsam aufgezeichnet habe, was damals passierte. Jetzt gelte es, diese Aufzeichnung zu entschlüsseln.

Wünnemann leitet zusammen mit verschiedenen Partnern drei Teilprojekten in einem interdisziplinären Forschungsnetzwerk, das die Entwicklung terrestrischer Planeten untersucht, speziell ihre späte Wachstumsgeschichte. In dieser als „späte Akkretion“ bezeichneten Phase hatte die Erde schon fast ihre heutigen Ausmaße. Die letzten Zutaten, die hinzugefügt wurden, habe ihre Entwicklung dann möglicherweise entscheidend verändert: Das Vorhandensein flüssigen Wassers und einer Atmosphäre ist Grundlage des Lebens auf der Erde. Dass es anders hätte kommen können, zeigen die unwirtlichen Nachbarplaneten Venus und Mars.

Mondbildung und Magmaozeane

Startschuss für diese Phase vor rund 4,5 Milliarden Jahren war die Kollision der jungen Erde mit einem etwa Mars-großen Objekt. Die dabei freigesetzte Wärme schmolz die Erdkruste und -mantel teilweise auf und hinterließ einen globalen Magmaozean. In einem Teilprojekt des Forschungsprogramms unter Wünnemanns Leitung werden solche planetaren Kollisionen und die Strömungen flüssigen Metalls in Magmaozeanen in Zusammenarbeit mit Partner anhand von Computermodellen simuliert. „Wir untersuchen, zu welchem Teil die Erde geschmolzen war und wie sich das Material des einschlagenden Körpers auf Erdmantel und Erdkern verteilt hat“, sagt Wünnemann. Am Computer werden dazu der Einschlag, das Zerbrechen des einschlagenden Körpers und das Absinken seiner metallischen Bestandteile simuliert.

Aus dem bei der Kollision in die Erdumlaufbahn geschleuderten Material entstand nach heutiger Vorstellung der Mond. In einem weiteren Teilprojekt werden verschiedene Einschlagszenarien der Mondbildung und andere große Einschlagereignisse simuliert, die zur Bildung eines Magmaozeans führten. Auch die anschließende Abkühlung der Erde und des Mondes kann mit Hilfe von Computermodellen rechnerisch nachgestellt werden. Ziel ist, den Zustand von Erde und Mond in der Phase abzubilden, bevor die weiteren Einschläge der späten Akkretion folgten. Wünnemanns Team geht dabei auch der Frage nach, wie viel Wärme noch in der Abkühlungsphase durch weitere Einschläge eingetragen wurde.

Rekonstruierte Kollisionsgeschichte

Das dritte Teilprojekt in das Wünnemann involviert ist, widmet sich direkt dem Mond und untersucht die Entstehung und Entwicklung der großen Einschlagsbecken. Anders als die Erde ist der Mond noch deutlich von den Einschlägen der späten Akkretionsphase gezeichnet. Zunächst soll die Liste der bekannten Einschlagbecken des Mondes vervollständig werden, um dann ihre Entstehung und spätere Veränderungen zu untersuchen. Eine der Hauptfragestellungen lautet, wie groß einschlagende Körper sein müssen, um einen Krater einer bestimmten Größe zu bilden.

„Unser langfristiges Ziel ist es, sämtliche Einschläge auf dem Mond zu rekonstruieren und ihre Auswirkungen nachzuvollziehen“, sagt Wünnemann. Dieses Verständnis könne auf die Erde übertragen werden, wenn man ihre größere Oberfläche und Schwerkraft berücksichtigt. Auf diese Weise könnte dann die Kollisionsgeschichte der Erde rekonstruiert und ihre Auswirkungen auf die Entwicklung der Erde zu einem bewohnbaren Planeten entschlüsselt werden.

Projektwebsite

https://www.trr170-lateaccretion.de/project/projects