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Die ersten Säugetiere hatten den Nachtblick: Gene von Sehpigmenten geben Aufschluss

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3D Struktur
Pressemitteilung,

Paläontologen vermuten schon lange, dass die Lebensweise der heute nur noch als Fossilien erhaltenen frühen Säugetiere aus der oberen Trias vor etwa 210 bis 200 Millionen Jahren mit jener der heutigen nachtaktiven Igel und Spitzmäuse vergleichbar war, welche den Fossilien äußerlich sehr ähnlich sind. Damit Hand in Hand ging womöglich auch die Evolution einer konstanten Körpertemperatur (Endothermie), da die Tiere auf dieser Weise unabhängig von äußeren Witterungsbedingungen wurden. Eine Bestätigung dieser Hypothese erweist sich jedoch bisher als schwierig, da sich physiologische Belege hierfür vor allem in Weichteilen finden würden, welche in Fossilien leider nur in Ausnahmefällen erhalten sind.

Die Evolutions- und Molekularbiologen wählten daher einen alternativen methodischen Ansatz: Sie studierten die molekulare Evolution das Sehpurpurs Rhodopsin, welches für Sehen bei Nacht bzw. Dämmerung verantwortlich ist, bis zu den Anfängen der Säugetiere. Sie rekonstruierten mit bioinformatischen Methoden eine hypothetische Gensequenz des Sehpurpurs des ersten gemeinsamen Vorfahren heute lebender Säugetiere. Daraus stellten sie im Molekularlabor das Sehpurpur in echt her und testeten dessen Funktion. „Das rekonstruierte Säuger-Rhodopsin hatte das gleiche Licht-Absorptionsspektrum wie unser tag- bzw. dämmerungsaktives Hausrind, zeigt aber spezielle Anpassungen in seiner Langlebigkeit, was auf Nachtaktivität hindeutet“, so Constanze Bickelmann vom Museum für Naturkunde Berlin.

Desweiteren benutzten die Forscherinnen und Forscher noch eine andere Methode, um weitere Beweise für Nachtaktivität in ersten Säugetieren zu finden: bioinformatische Selektionsanalysen. „Hierbei werden Selektionsdrücke, welche aufgrund von Umweltveränderungen auf Gene und Proteine wirken, gemessen“, so Belinda Chang von der Universität Toronto. Ergebnisse zeigen, dass sich auf der Entwicklungslinie zu höheren Säugetieren, den sogenannten Theria, welche etwa 70 Millionen Jahre nach den ersten Säugern entstanden, das Sehpurpur in seiner Genzusammensetzung und -struktur stark veränderte. Diese Veränderungen decken sich mit paläontologischen Neufunden von verschiedenst ökologisch angepassten Säugetieren, welche Zeugen eines wichtigen evolutionären Schubs während des Erdmittelalters sind, als die Artenvielfalt der Säugetiere rapide zunahm. „Dieser Fund unterstreicht die Bedeutung der integrativen Zusammenarbeit von Paläontologen und Paläontologinnen auf der einen Seite und Molekularbiologinnen und Molekularbiologen auf der anderen, wenn wir ein umfassenderes Bild der Evolution des Lebens bekommen wollen“, so Johannes Müller vom Museum für Naturkunde Berlin.

http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/evo.12794/abstract?campaign=wolacceptedarticle

Fotos erhalten Sie unter:
http://download.naturkundemuseum-berlin.de/presse/Nachtblick

3D-Struktur des künstlich hergestellten Säugetier-Rhodopsins
Copyright: Museum für Naturkunde Berlin

Die Grafik kann zur Berichterstattung in Zusammenhang mit der Pressemeldung kostenfrei verwenden werden.  

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