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Winzige fossile Thermometer

Dicht aneinander gereihte kleine braune Punkte - mehr ist auf den ersten Blick auf dem Objektträger nicht erkennbar. Doch die nur etwa einen Millimeter großen Ostrakodenschalen halten viele Informationen für Jana Gliwa, Doktorandin am Museum für Naturkunde Berlin, bereit.

„Wir untersuchen die Ostrakodenschalen, um auf die Temperatur des Meerwassers zu Lebzeiten der Tiere zu schließen“, sagt Gliwa. Vor 252 Millionen Jahren, der Perm-Trias-Grenze, starben über 80 Prozent der im Meer lebenden Arten an der größten aller bisherigen biologischen Krisen in der Erdgeschichte aus. Im Projekt untersucht die Paläontologin die Diversität und den Schalenaufbau der Ostrakoden unmittelbar vor und nach dem Massenaussterben, um mehr über die damalige Temperaturentwicklung und die Veränderungen in der Artenvielfalt zu erfahren.

Schale der Ostrakoden

Mithilfe von geochemischen Untersuchungen wird die aus Calcit bestehende Schale der Tiere auf die Proportion der darin enthaltenen Sauerstoffisotope mit der modernen SIMS-Technologie (Secondary ion mass spectrometry) am Geoforschungszentrum in Potsdam untersucht. Aus dem Verhältnis der beiden Isotopen 18O and 16O können Rückschlüsse auf die damalige Wassertemperatur zu Lebzeiten der Tiere gezogen werden: Die kleinen Schalen werden also wie fossile Thermometer benutzt.

Für das Sammeln von Gesteinsproben reiste die Forscherin in den Nordwest-Irans. Hier ist die Aufschlusssituation der wichtigen Gesteinsschichten, gerade im Hinblick auf die Perm-Trias-Grenze, optimal. Aus den gesammelten Gesteinsproben wurden die Ostrakoden mit konzentrierter Essigsäure herausgelöst. Anschließend wurde der feinkörnige nichtlösliche Rückstand des Gesteins ausgewaschen, um die winzigen Fossilien zu gewinnen. Von 90.000 gesammelten Schalen untersuchte Gliwa etwa 3.500 Exemplare mit dem Rasterelektronenmikroskop und bestimmte ihre Art, um Hinweise auf die Veränderungen von Artenvielfalt und Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften zu gewinnen.

„Wir wissen bereits, dass es während der Zeit des Massenaussterbens eine Temperaturerhöhung um etwa acht Grad gab, aber nicht, ob diese allein die Ursache für das Aussterben der Arten war“, erklärt Gliwa. Ein erstes Zwischenergebnis ihres Projekts: Die Ostrakoden ließen sich von der damaligen globalen Krise anscheinend nicht besonders stark beeindrucken – ihre Diversität und auch ihre Anzahl waren vor und nach der Krise hoch. In geologisch gesehen kurzer Zeit nach dem Aussterbeereignis traten sogar besonders viele auf – aus einem Kilogramm Gestein konnte Jana Gliwa bis zu 60.000 Exemplare gewinnen. Allerdings hatte sich die Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften durch die Krise grundsätzlich verändert.

Die Ergebnisse der paläontologischen Klimaforschung können möglicherweise Hinweise auf den heutigen Klimawandel und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Biosphäre geben. Denn wie vor 252 Millionen Jahren bedroht auch heute eine massive Klimaerwärmung die komplexen Zusammenhänge in Ökosystemen und deren biologischer Vielfalt. Das Promotionsprojekt ist ein Teilprojekt des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Forschungsvorhabens FOR 2332: Temperature-related stresses as a unifying principle in ancient extinctions (TERSANE).

Kooperationspartner

  • Universität Erlangen
  • Universität Hamburg
  • Deutsches GeoForschungsZentrum
  • Firdausi-Universität Maschhad

Laufzeit

01.04.2016 – 30.06.2019

Finanzierung

Deutsche Forschungsgemeinschaft - DFG