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Armfüßer erblicken das Licht der Welt

Morphologie und Evolution der Lichtsinnesorgane bei Brachiopoden

Schon im 19. Jahrhundert fielen Zoologen an den Larven von Brachiopoden bis zu 16 Pigmentflecke auf, die sie am Vorderkörper tragen. Die Vermutung, dass es sich um Lichtsinnesorgane handeln könnte, lag nahe, da die Larven auf Licht reagieren. Carsten Lüter vom Museum für Naturkunde Berlin ging dem früh geäußerten, aber nie bestätigten Verdacht nach.

„Meine Idee für das Projekt war, die Augenflecken systematisch bei allen rezenten Brachiopodenarten zu untersuchen, deren Larven diese Strukturen haben“, sagt Lüter. Fossile Funde belegen rund 20.000 ausgestorbene Arten. Heute gibt es noch etwa 400, die in allen Weltmeeren und Wassertiefen vorkommen. Wenn die Augenflecken bei ihnen gleich aufgebaut sind, lässt das auf einen gemeinsamen Vorfahren schließen, dessen Larven bereits solche Augen nutzten, so die vereinfachte Projekt-Hypothese. Zudem sollte geprüft werden, wie sich der Aufbau von dem vergleichbarer Strukturen bei verwandten Gruppen wie Muscheln und Gliederwürmern unterscheidet.

Erst ins Licht, dann ins Dunkel

Lüters Team untersuchte die Larven mit Licht- und Elektronenmikroskopen. Darüber hinaus verwendeten sie Antikörper, die sich an die lichtempfindlichen Proteine heften. Mit ihrer Hilfe kann genau gezeigt werden, welche Zellen im Gewebe an der Lichtwahrnehmung beteiligt sind.

Lüter konnte nachweisen, dass es sich bei den Pigmentflecken um Augen handelt und, dass sie bei allen rezenten Brachiopoden-Arten gleich aufgebaut, also von einem gemeinsamen Vorfahren übernommen sind: Jedes Auge besteht aus zwei lichtempfindlichen Zellen mit je einem Wimperhärchen, dessen Oberfläche stark vergrößert ist und dessen Membran die lichtempfindlichen Proteinstrukturen trägt. Durch die Nutzung eines solchen Wimperhärchens als Träger des lichtsensitiven Proteins unterscheiden sich die Augen der Brachiopoden deutlich von denen nahe verwandter Gruppen und gleichen eher denen der Wirbeltiere.

„Die Augen sind mit Sicherheit an der Verhaltenssteuerung beteiligt“, sagt Lüter zur Funktion. In einem frühen Larvenstadium suchen die Tiere das Licht, schwimmen aktiv ins Helle. Wahrscheinlich können sie sich im wärmeren Wasser nahe der Oberfläche besser entwickeln. Kurz vor der Metamorphose zum erwachsenen Tier kehrt sich dies aber um. „Die Erwachsenen sitzen meist an dunkleren Stellen, etwa in Höhlen“, sagt Lüter. Mit den Augenflecken können die Larven die Richtung des einfallenden Lichts erkennen und davon wegschwimmen bevor sie sich niederlassen.

In einem Folgeprojekt will Lüter mit Kollegen von der Universität Moskau untersuchen, ob die Pigmentflecken, die auch bei den adulten Tieren einer Brachiopodenart gefunden werden, Augen sind, die sie von den Larven übernommen haben. Es wäre der erste Nachweis solcher Strukturen bei ausgewachsenen Brachiopoden.

Kooperationspartner

  • Universität Greifswald
  • Sars International Centre for Marine Molecular Biology
  • University of Glasgow
  • Stazione Zoologica Anton Dohrn
  • Universität Tokio
  • Kewalo Marine Laboratory
  • Friday Harbor Laboratories

Finanzierung

Deutsche Forschungsgemeinschaft - DFG