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Die Blätter der Kreide

Anhand von Cratolirion bognerianum lässt sich nachweisen, dass einkeimblättrige Pflanzen erstaunlicherweise bereits vor 115 Millionen Jahren alle für sie typischen Merkmale aufwiesen. Foto: Carola/Radke/ Museum für Naturkunde Berlin

Es summt, zirpt und zwitschert aus den Bäumen. Im Hintergrund rauscht ein Fluss. Wassertropfen prasseln auf die orange-roten Beeren des Aronstabs nieder. Würde man einen Spaziergang durch einen Regenwald vor 80 Millionen Jahren machen, so würde er sich, die einkeimblättrigen Pflanzen betreffend, nicht groß von heute unterscheiden.

Projektleiter Clément Coiffard berichtet, dass es schon in der Kreide viele Einkeimblättrige in den Tropen gab. Es kann angenommen werden, dass sich Regenwälder schon vor 80 und nicht, wie bisher gedacht, 55 Millionen Jahren entwickelten. Für sein Projekt hat Coiffard rund 300 Pflanzenfossilien aus dem Nordosten Brasiliens und aus Ägypten erforscht. In der Kreidezeit gehörten diese Gebiete zum Kontinent Gondwana. Bisher wurden die Einkeimblättrigen, zu denen zum Beispiel Weizen, Efeu oder Palmen gehören, nur auf ihr früheres Vorkommen in Europa oder Asien untersucht.

Coiffard und sein Team haben viele Arten von Aronstäben gefunden, was bedeutet, dass diese ihren Ursprung in den Tropen haben. Für seine Untersuchungen hat der Paläobotaniker die fossilen Blätter mikroskopiert oder computertomographisch gescannt. Anschließend wurden die Blätter gezeichnet, verglichen und klassifiziert. Das Ziel: Die Erstellung einer Systematik, die sich auf die phylogenetische Verwandtschaft stützt. Bislang wurden überhaupt nur fünf der Pflanzenarten aus der Kreide beschrieben. Der Zufallsfund der Exemplare an der TU Berlin war ein Glücksfall: Als Coiffard die Schränke mit den Fossilien geöffnet hat, habe er zum ersten Mal so eine große Sammlung von Einkeimblättrigen gesehen. In ihrem Projekt konnten die Wissenschaftler so die Anzahl der bereits beschriebenen Pflanzen verdoppeln. Neben Coiffard gibt es nur wenige Forschende, die sich mit der Entwicklung dieser Pflanzen in der Kreide beschäftigen.

Blickt man in der Geschichte 140 Millionen Jahre zurück, ist die Artenvielfalt der Einkeimblättrigen gering. Unter den untersuchten 60 Millionen Jahre jüngeren Exemplaren, lassen sich jedoch bereits 35 Arten differenzieren. Die Forscher wollen verstehen, wie diese Diversität entstanden ist, denn dann ist es möglich Rückschlüsse darüber zu ziehen, welche Parameter dafür eine Rolle spielen und wie schnell sich Vegetation ändern kann. Coiffard ist der Meinung, dass wenn man die Vergangenheit kennt, man die Zukunft ein bisschen besser vorhersagen kann.

Bei der aufwendigen Klassifizierung, insbesondere der Aronstäbe, wurde er vom ehemaligen Leiter des botanischen Garten Münchens, Josef Bogner, unterstützt.

Projekttitel

Phylogenetische und Paläoökologische Untersuchung von Einkeimblättrigen Blütenpflanzen aus der Kreide aus Nord Gondwana (Brasilien und Ägypten)

Laufzeit

01.01.2014 – 31.12.2016

Kooperationspartner

Finanzierung

Deutsche Forschungsgemeinschaft - DFG