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Glitzern & Denken: Fragen aus der Show "Unsterblich?"

  • Unsterblich | Glitzern & Denken © Barbara König
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In der Show Unsterblich? lud Glitzern & Denken zum fulminanten Finale. Kunstschaffende und Mitarbeitende des Museums beleuchteten Leben und Tod im Livestream (Aufzeichnungen der deutschen und englischen Show) im März 2022 von unterschiedlichen Seiten. Im Live-Chat konnte das Publikum Fragen an Christin Scheinpflug und Prof. Dr. Johannes Müller stellen. In diesem Artikel beantworten sie die Fragen (teilweise sinngemäß ergänzt), die es aus Zeitgründen nicht in die Show geschafft haben. Das gesamte Glitzern & Denken-Team bedankt sich für die spannenden Fragen und die engagierte Teilnahme an unseren Shows.

Ist ein Virus lebendig oder nicht?
Johannes: Viren können sich zwar evolutionär anpassen, aber sie haben keinen eigenen Stoffwechsel und können sich auch nicht von selbst vermehren. Unter diesen Kriterien sind sie nicht lebendig. Es gibt allerdings auch Wissenschaftler*innen, die vermuten, dass Viren alle diese Eigenschaften einmal hatten und diese sekundär verloren haben. So oder so können wir sagen, dass Viren „Grenzgänger des Lebens“ sind.

Gibt es eventuell ein wissenschaftliches System, dass Stoffwechsel-Geschwindigkeit in Relation zum Körper (Größe, Gewicht etc.) setzt?
Johannes: Auf „Clade“-Basis gibt es zumindest grobe Einordnungen – z.B. für Landwirbeltiere. Ob es so etwas aber auf der ganz großen Ebene gibt und ob es sich hierbei um ein wissenschaftlches System handelt, kann ich leider nicht sagen. 

Gibt es auch Präparate, die mumifiziert sind? Gehört die Mumifizierung auch zum Präparationshandwerk?
Christin: Die Mumifizierung ist eine Konservierungsmethode, also eine Methode, um organisches Material für längere Zeit haltbar zu machen und vor der Zersetzung zu bewahren. Es kann in der Natur zu einer quasi natürlichen Mumifizierung kommen. Das nennt man dann Mumifikation. Die tritt ein, wenn verschiedene Umwelteinflüsse (Temperatur/Luftfeuchte, Sauerstoffentzug) das Bakterienwachstum stoppen, sodass der Körper nicht verwesen kann. Bekannte Beispiele hierfür sind Moorleichen, oder Ötzi, der Mann aus dem Eis. In Kirchtürmen kann man auch sehr häufig getrocknete Fledermäuse oder Tauben finden.
Die Mumifizierung hingegen ist künstlich vom Menschen geschaffen. Simpel gesagt trocknet man die Objekte - ein klassisches Beispiel dafür sind Mumien von Tieren und Menschen. Im weitesten Sinne gehört die Mumifizierung zu den frühen Anfängen der Präparation. Das Haltbarmachen des Objektes steht bei beidem, der Mumifikation und der Mumifizierung, im Mittelpunkt. In der wissenschaftlichen Sammlung gibt es mit Sicherheit sowohl natürlich als auch künstlich hergestellte Trockenpräparate.
Die Mumifizierung ist kein Bestandteil der Ausbildung und wir führen sie auch im klassischen Sinne nicht aus. Die Taxidermie möchte auch das natürliche Volumen des Tieres erhalten, und das geht mit der Mumifizierung nicht. Dennoch gibt es in der Präparation die Vakuum-Gefriertrocknung. Diese orientiert sich natürlich an den Grundsätzen der Mumifizierung, jedoch mit dem Vorteil, dass das Volumen des Objektes dabei erhalten werden kann.

Wie verhindert ihr, dass lebendige Tiere sich in den Präparaten einquartieren?
Christin: Es gibt drei Faktoren, die aber nur im Zusammenspiel dazu führen, dass wir verhindern bzw. eindämmen können, dass sich Schadinsekten in die Präparate einnisten. Präparate sind natürlich immer noch organisches Material! Und es gibt viele unterschiedliche Schadinsekten mit unterschiedlichen Vorlieben. (Der Museumskäfer beispielweise ist eher ein Synonym für viele verschiedene Insekten, die Präparate anfressen.)
Der erste Faktor ist saubere Haut. Heute werden die Tierhäute gründlich von Fett (Unterhautgewebe) und Fleischresten befreit. Damit sind sie geruchlich uninteressanter für Schadinsekten. Altes Fett, Fleischreste und so etwas riechen noch eine ganze Zeit lang, selbst wenn sie getrocknet sind. Da können Schadinsekten gar nicht anders :)
Als zweiter Faktor ist die Gerbung der Haut zu nennen. Eine vernünftige Gerbung ist wichtig, da die Gerbung der Haltbarmachung der Haut dient und sie die chemische Struktur der Haut verändert. Auch das finden Insekten dann nicht mehr so attraktiv.
Als dritter Faktor kommt regelmäßiges IPM (Integrated Pest Management) ins Spiel. Viertel- bis halbjährlich sollten die Objekte auf Schadinsekten kontrolliert werden. So kann man verhindern, dass das Objekt massiv Schaden nimmt und gleichzeitig die Vermehrung der Insekten eindämmen. Es wird parallel auch ein Insekten-Monitoring vor Ort gemacht mit Hilfe von Insektenfallen, die kontrolliert werden. So kann man sehen, wie viele und welche Schadinsekten im Museum umherwandern.
Aus diesen drei Faktoren ergibt sich ein recht guter Schutz der Objekte, jedoch nicht zu 100 Prozent. Schon allein jeder Krümel, der von einem Keks oder Brot abfällt, ist interessant für Schadinsekten, weshalb u.a. der Verzehr von Speisen in vielen Museen untersagt ist.

Wie schnell müsst ihr tote Tiere präparieren? Platzen manche Tiere schnell wegen Blähungen oder kühlt ihr die Kadaver?
Christin: Ich habe wirklich keine Ahnung, wie schnell Tiere platzen können. Aufblähen tun sie sich auf jeden Fall. Wie schnell ist oft von der Umgebungstemperatur bestimmt. Bei 30 Grad sind die Darmbakterien ziemlich aktiv und es geht total schnell. Oft kann man davon ausgehen, dass die Haut eines Tieres in dem Zustand nicht mehr verwendet werden kann, da der Verwesungsprozess die Haut schon in Mitleidenschaft gezogen hat. Grundsätzlich bekommen wir unsere Tiere aus der Sektion. Das heißt, die inneren Organe sind entnommen und sie sind eingefroren. Wir müssen die Tiere nicht gleich präparieren, aber das Abziehen und Vorbereiten der Haut für den Gerber sollte schon zügig gemacht werden, egal ob frisch eingetroffen oder aufgetaut. Das Gesamtpaket (Maße nehmen, Abgüsse machen, Fotos machen, Haut abziehen und dünn schneiden) dauert für ein ca. 80 Kilo schweres Tier in etwa zwei Tage. Eingefroren kann man die Tierkörper und auch die Tierhaut recht lange lagern, für ca. zehn Jahre.
P.S.: Ich habe in meiner gesamten Laufbahn noch kein platzendes Tier erlebt und hoffe das bleibt auch so :)

Gibt es Tiere, die ihre Toten beerdigen/bestatten?
Johannes: Wirkliche Bestattung eher nicht, aber Elefanten scheinen zumindest emotional stark involviert zu sein, wenn einer ihrer Angehörigen stirbt.

Welche Methoden/Techniken werden angewendet, um die Farbe der Haut und Federn zu bewahren?
Christin: Die Farbe der Haut, zum Beispiel bei einem schönen, rosigen Hausschwein, kann nicht erhalten werden. Die Haut muss man nachträglich kolorieren mit Pigmenten oder Airbrush. Das wird tatsächlich aber nur bei Hautstellen gemacht, die wenig beharrt und sichtbar sind. Bei langhaarigen Tieren sieht man die Haut ja oftmals gar nicht, da spielt es keine Rolle. Bei der Vogelhaut ist es ähnlich: Nach der Gerbung ist der natürliche „Hautton“ weg. Auch bei Fischen und Reptilien können die Farben von Schuppen nicht erhalten bleiben, diese werden ebenfalls nachträglich koloriert.
Bei Fell und Federn verhält es sich anders - hier bleiben die Farben erhalten. Aber man muss das Objekt, wenn es fertig ist, vor UV-Licht schützten. Durch Sonnenlicht bleichen Federn und Haare aus. Das ist wie mit dem eigenen Haar im Sommer, das wird auch heller.

Welches ist Dein Lieblings-Objekt im Museum und welche Geschichte erzählt es?

  • Christin: Die Frage kann ich schwer beantworten, da ich mit meinen erst 2,5 Jahren hier am Haus bei weiten noch nicht alles gesehen und gehört habe. Da schlummert mit Sicherheit noch das ein oder andere Schätzchen mit einer tollen Geschichte. Auf Arbeitsebene ist es natürlich Bobby. Ein heute noch wundervolles und überzeugendes Präparat - für die Zeit wirklich ein Meisterstück, auch, was die angewandte Methode betrifft, einer Mischtechnik aus Dermoplastik und Paraffinimprägnierung.
  • Johannes: Ich habe kein wirkliches Lieblingsobjekt. Es gibt viele verschiedene Dinge, die mir gefallen, und jedes davon hat seinen speziellen Reiz.