Direkt zum Inhalt

Nr. 001 Meteorit aus Ensisheim

Bruchstück des 127 kg schwere Meteorit von Ensisheim aus der Privatsammlung Ernst F.F. Chladnis, der älteste erhaltene Meteoritenfall Europas vom 7. November 1492

Wenn Politiker Steine in Ketten legen um 15-jährige Ehefrauen zu retten…

Mittags. 07. Nov. 1492. Ensisheim, zwischen Rhein und Vogesen gelegen. Die Novembersonne versucht den Zenit zu erreichen, muss aber eingestehen, dass es in diesen Breiten und zu dieser Jahreszeit, wenn die Tage immer kürzer werden, nur für eine flache Bogenbahn über den Horizont reicht. Doch etwas Anderes erhellt plötzlich den Himmel. Ein Bauernjunge sieht unter ohrenbetäubenden Lärm einen „Donnerstein“ auf ein Feld einschlagen.

Ein unverschämter Zufall. Meteoriten kennen keine Tageszeit. Wahrscheinlicher wäre es gewesen, wenn der Himmelskörper in der 15-stündigen Nacht gefallen wäre, ohne Chance ihn je zu finden. Das Elsass war im 15 Jh. eine vergleichsweise belebte Region Mitteleuropas, hatte jedoch nur 3-5% der heutigen Einwohnerzahl. Einen Meteoritenfall zu beobachten und dann auch noch zu lokalisieren; das war ein echtes Wunder.

Und wie auch heute werden Wunder weiter erzählt. Rasch verbreitete sich die Nachricht über das gerade erst erfundene Facebook des Mittelalters: Flugblätter. Oder besser Instagram? Tatsächlich handelt eines der ältesten illustrierten Flugblätter vom Meteoritenfall des vorderösterreichischen Ortes.

Und als zwei Wochen später sogar der römisch-deutsche König Maximilian I. nach Ensisheim kam, nutzte er die Gelegenheit sogleich. Er lag gerade im Clinche mit dem eigenen Schwiegersohn, dem Franzosen Karl VIII „der Freundliche“, der Maximilians Ehefrau Anne de Bretagne Anfang des Jahres ehelichte. Game of Thrones in echt. Maximilian fand es gar nicht freundlich, dass Karl einfach so zwei Eheverträge gleichzeitig mit seiner Familie brach und instrumentalisierte den Meteoritenfall. Es sei ein böses Omen, ein Zeichen gegen Franzosen und Türken und er ordnete an ihn in der Pfarrkirche aufzuhängen. Natürlich nicht ohne sich selbst zwei Stücke zu sichern.

Mit den Jahrhunderten schrumpfte die Hauptmasse des Meteoriten immer mehr. Er war eine Berühmtheit und heiß begehrt. Angeblich Goethe selbst soll sich 1771 bedient haben. Es ist also nicht verwunderlich, dass Stücke des ersten in Europa beobachteten Meteoritenfalls in naturhistorischen Museen von London, Paris, Wien bis nach Berlin zu finden sind.

Was macht unser Berliner Exemplar zu was Besonderem? Es stammt aus der Sammlung des Begründers der eigentlichen Meteoritenkunde, Ernst F.F. Chladni. Der publizierte 1794 die ungeheuerliche These, dass Gesteine, wie der eisenarme Steinmeteorit aus Ensisheim, extraterrestrischen Ursprungs sind, was nicht auf viel Gegenliebe stieß. Selbst Humboldt hielt nicht viel von der Idee.

Geschichten aus dem Museum für Naturkunde Berlin. Mehr zu der Meteoritensammlung gibt's hier