Kurz, knapp und gleich vorne weg: Die Hütte brennt und wir müssen uns ändern, denn Freiheit und Verantwortung sind zwei Seiten einer Medaille. Die Wissenschaft muss sich in neuen, auch experimentellen Wegen der Gesellschaft gegenüber öffnen. Unser Auftrag in der Wissenschaft lautet: Findet eine neue Gemeinsamkeit und ergreift Verantwortung für unsere Demokratie. Krempeln wir an jeder Universität, an jedem Institut endlich die Ärmel hoch. Ein Tag die Woche für unsere Demokratie, das ist der Anfang dieses Experiments, um den längst überfälligen Prozess der Veränderung endlich zu starten.
Ein Impuls von Prof. Johannes Vogel, Generaldirektor des Museum für Naturkunde Berlin
Wir werden an einem Wandel nicht vorbeikommen, wenn wir als Wissenschaffende mit unserem Wissen zu einer lebenswerten Zukunft beitragen wollen. Das wird allerdings ohne eine grundsätzliche Verschiebung von dem, was in der Wissenschaft in Bezug auf Reputation, Karriere und Gehalt "zählt" und ein Überdenken der praktischen Verantwortung der Wissenschaft in der und für die Demokratie, nicht gelingen.
Das jährliche Wissenschaftsbarometer zeigt, wie dringend erforderlich dieser Wandel ist: Gerade einmal 56 Prozent der Menschen in Deutschland vertrauen der Wissenschaft voll und ganz, aber (!) Menschen, die eine mittlere und niedrige Bildung haben, zweifeln vermehrt. 52 Prozent von ihnen, so die Umfrage von Wissenschaft im Dialog, vertrauen den Menschen in der Wissenschaft noch – vor einem Jahr waren es noch 68 Prozent! Das schreit nach Veränderung!
Glücklicherweise ist es so, dass in der Wissenschaft aus Fehlern gelernt wird. Und genau das, sollten wir jetzt tun. Wir müssen jetzt tun, was von uns schon lange gefordert wird: Neugierig zuhören, ehrliche, verständliche Antworten geben, demütig und vorurteilsfrei (soweit es einem möglich ist) versuchen, das gemeinsame Interesse auszuloten, gemeinsame Werte oder Ziele zu ergründen – mit allen, die es betrifft, egal welcher Ausbildung, Herkunft oder Gedankenwelt.
Neuer, integraler Bestandteil der Arbeit von Wissenschaftler:innen muss es sein, sich regelmäßig vor Ort mit Menschen unterschiedlichster Herkünfte und unterschiedlichster gesellschaftlicher Gruppen auszutauschen.
Das Ziel sind 20 Prozent der Ressourcen und der Arbeitszeit – dafür muss ausgebildet werden und dieses Engagement muss in der Karriere von Wissenschaffenden anerkannt werden! Das heißt für diesen neuen Teil unserer Arbeit, wir schalten um von der Frage "Was gibt es Neues?" auf die Frage "Wie relevant ist unsere Forschung?" – mit anderen suchen wir nach Worten, um unsere Arbeit, unser Anliegen verständlich zu erklären und darüber zu diskutieren. Wir müssen uns auf gänzlich andere Logiken einlassen, das Wissen anderer anerkennen. Denn Entscheidungen basieren nicht immer nur auf Evidenz und Vernunft. Gleichwohl geht es aber auch darum, für wissensbasierte Lösungen zu werben – aber eben nicht mehr so wie bisher. Wir brauchen den aktiven Austausch und den direkten Dialog mit Menschen außerhalb unserer privilegierten Bubble. All dieses kann uns sprachlos machen, hilflos, und es kann wehtun – aber es ist der Weg, damit Wissenschaft nicht in einem neuen Elfenbeinturm versauert.
Um Demokratie und Wissenschaft zu stärken und weiterzuentwickeln, muss eine neue gemeinsame Basis zwischen Wissenschaft und Gesellschaft erarbeitet werden, es muss um eine neue Aufklärung gerungen werden. Wissenschaft und Politik stehen in der Verantwortung, Vertrauen zu schaffen. Doch Vertrauen braucht auch eine wertebasierte Komponente. Wie also wollen wir als Gesellschaft morgen leben? Welche Verantwortung trägt dafür die Wissenschaft?
Für all diese Gespräche müssen wir uns unheimlich gut vorbereiten, es wird uns viel Zeit und Geld kosten, schafft aber auch tolle neue Möglichkeiten für alle wissenschaftlichen Disziplinen, für unser Forschen – und für eine lebendige Demokratie, das höchste Gut.