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schrecklich schön. Elefant – Mensch – Elfenbein.

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Elfenbein fasziniert – und polarisiert. Bereits vor 40.000 Jahren schufen Menschen aus den Stoßzähnen des Mammuts kunstvolle figürliche Darstellungen und Musikinstrumente. In der jüngeren Geschichte stehen die Stoßzähne der Tiere für Unrecht und Gewalt. schrecklich schön. Elefant – Mensch – Elfenbein nähert sich diesem Thema mit einer Sonderausstellung im Humboldt-Forum, einem Diskurs- und einem künstlerischen Veranstaltungsprogramm sowie Vermittlungsangeboten. In der Ausstellung (23. Juli bis 28. November 2021) werden mehr als 200 Objekte gezeigt, darunter neun Objekte aus dem Museum für Naturkunde Berlin.

Die Geschichte des Elfenbeins ist zugleich eine Geschichte der Menschheit. Schon in der Urzeit schufen Menschen aus Stoßzähnen die ältesten bekannten Kunst- und Kultgegenstände und Musikinstrumente. Die Wertschätzung des Materials zieht sich durch zahlreiche Kulturen verschiedener Kontinente bis heute. Die Stoßzähne selbst und daraus gefertigte Gegenstände waren stets Objekt menschlicher Begierde und damit Geschenk, Handelsware – und Raubgut. Den Elefanten hat die Jagd nach Elfenbein zur bedrohten Art gemacht. So spiegelt die Geschichte der Objekte auch den Prozess des kulturellen Austauschs ebenso wie der kapitalistischen Wertmehrung, der gewaltvollen Aneignung wie der ungleichen Machtverhältnisse wider.

Das Programm schrecklich schön behandelt das Kernthema des Humboldt Forums Kolonialismus und Kolonialität. Mit einer Ausstellung, einem künstlerischen Film- und Diskursprogramm, Vermittlungsangeboten sowie einer Publikation betrachtet es die spannungsvolle Verbindung von Elefant, Mensch und Elfenbein. Die welt- und epochenumspannende Erzählung des Programms verbindet die kulturelle Bedeutung des Elfenbeins mit naturkundlichen Aspekten und den sozialen und ökologischen Folgen seiner Verwendung. Dabei geht es um Fragen wie diese: Wie gehen wir mit kulturhistorischen Kostbarkeiten um, die oft mit gewaltvoller Aneignung und ungleichen Machtverhältnissen verknüpft sind? Wie tragen wir dazu bei, das Verhältnis zwischen Mensch und Tier neu zu gestalten? Und wie können wir ein verändertes Bewusstsein schaffen – für einen überlegteren Umgang mit Ressourcen?

Die Schau vereint Erkenntnisse aus der Anthropologie, Archäologie, Biologie, Ethnologie, Frühgeschichte, Geschichte, Kunstgeschichte, Materialforschung, Medizin, Religionswissenschaft und Zoologie. Sie rollt die jahrtausendalte Kulturgeschichte des Elfenbeins anhand ausgewählter Exponate aus verschiedenen Epochen auf mit einer großen Bandbreite an Perspektiven: vom Werkstoff und seiner Bearbeitung über das Motiv des Stoßzahns in seiner kolonialen Konnotation, vom Einfluss des Elfenbeins auf Medizin und Schönheitsideale über seine Rolle als Kultiviertheitssymbol, vom Elefanten als Gegenstand der Jagd und als zu schützende Tierart, als wichtiges Bindeglied im Kreislauf der Natur und als Sinnträger in Religion, Mythos und künstlerischer Reflexion. Zudem wird auch als größtes Exponat der von einem aufgebrachten Elefanten zerstörte Toyota der Tierschutzorganisation Save the Elephants zu sehen sein, der seinen Weg aus Kenia bis nach Berlin gemacht hat. Ein weiteres besonderes Ausstellungselement ist Voices of Ivory: Die Installation lässt unterschiedliche Expert:innen, Naturschützer:innen, Zollbeamt:innen und Elfenbeinsammler:innen zu Wort kommen. Die teils kontroversen Statements schaffen ein Forum verschiedener Haltungen und vielstimmiger Sichtweisen und setzt das Thema in ethische, globale und politische Zusammenhänge.

Die Ausstellung fragt zugleich, ob und wie Elfenbein als derart belasteter biologischer Rohstoff, als Relikt eines hochentwickelten, empfindsamen Lebewesens überhaupt museal präsentiert werden kann. Mit der modellhaften Präsentation wird auch der Typus eines neuen Museums reflektiert: ein Ort der Konversation und Vernetzung.

Programm schrecklich schön

Das Diskurs- und künstlerische Veranstaltungsprogramm, Vermittlungsangebote sowie eine Publikation beleuchten das Thema aus verschiedenen Perspektiven. Sie erweitern die Inhalte der Ausstellung, orientieren sich an den Prinzipien der Vielstimmigkeit und bespielen während der Sonderausstellung und darüber hinaus die Veranstaltungsräume und weitere Flächen des Humboldt Forums.

  • Das Diskursprogramm ab Oktober 2021 thematisiert in Kooperation mit der Humboldt-Universität zu Berlin, der Tierschutzorganisation IFAW und anderen zivilgesellschaftlichen Stimmen die Beziehung zwischen Elefant, Mensch und Elfenbein als Muster westlicher Sichtweisen auf Natur, Mensch und Kultur.
  • Das Filmprogramm Der Elefant als Kinodarsteller – Stationen einer tierischen Filmkarriere zeigt anhand ausgewählter Filmbeispiele, inwieweit der Elefant immer auch Projektions- und Identifikationsfigur des Menschen und seiner Sehnsüchte war. Es umfasst insgesamt 24 Spiel-, Animations- und Dokumentarfilme, orientiert an den Themen der Ausstellung und mit dem Schwerpunkt Elefant und Mensch. Rund die Hälfte der Filme richtet sich an ein Familienpublikum, damit explizit auch an Kinder und Jugendliche. Ab Oktober 2021.
  • Der Thementag im Januar 2022 ist eine Einladung, sich mit dem Thema unter ganz unterschiedlichen Perspektiven mit künstlerischen wie diskursiven Beiträgen zu befassen. Führungen, Kurator:innengespräche, Streitgespräche mit internationalen Gästen, ein Familienprogramm mit Mitmach-Aktionen, Workshops mit Aktivist:innen und nicht zuletzt künstlerische Performances stehen auf der Agenda.
  • Das vielfältige Bildungs- und Vermittlungsprogramm startet im September 2021 mit verschiedenen Angeboten. Fünfmal die Woche finden öffentliche Führungen statt, ein begleiteter Hör- und Tastrundgang stellt das Material in den Mittelpunkt, Gruppen erhalten in einstündigen Führungen einen Überblick. Für Schulklassen gibt es Workshops, in denen sich die Teilnehmer:innen intensiv mit dem Thema auseinandersetzen.
  • Die Publikation schrecklich schön. Elefant – Mensch – Elfenbein greift alle Themenbereiche der Ausstellung auf, die Text- und Bildbeiträge stammen von internationalen Autor:innen und Künstler:innen. Zugleich kann der Band auch für sich stehen als eine exemplarische Publikation für Anspruch und Idee des Humboldt Forums. Mit Beiträgen von Asher Jay, Nanette Snoep, Ai Weiwei u.a. – Hirmer Verlag, 200 Seiten, dt. und engl. Ausgabe, 29,90 Euro.

Eine Ausstellung der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss in Kooperation mit den Staatlichen Museen zu Berlin und dem Museum für Naturkunde Berlin, kuratiert von Grit Keller, Alberto Saviello und Daniel Tyradellis, unter Mitarbeit von Anika Winge, nach einer Idee von Raffael Dedo Gadebusch. In Zusammenarbeit mit den National Museums of Kenya. Das Diskursprogramm wurde kuratiert von Ibou Coulibaly Diop und Julia Schreiner, das Filmprogramm von Dorothee Wenner zusammen mit Jan Linders, Leiter Programm / Veranstaltungen Humboldt Forum.