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Bioakustisches Labor

Schallkammer

Das bioakustische Labor ermöglicht es, Schalluntersuchungen an einer Vielzahl von Organismen durchzuführen. Schwerpunkte der Untersuchungen liegen derzeit auf Studien an Vögeln und Fledermäusen. Sowohl für von Menschen hörbare Lautäußerungen als auch für Ultraschall steht hochmoderne Aufzeichnungs- und Abspieltechnik zur Verfügung. Für die Arbeit mit Lautarchiven stellt ein spezialisiertes Tonstudio den Zugang zu fast allen Typen historischer Tonträger her. Thematisch ist das bioakustische Labor eng mit dem Tierstimmenarchiv des Museums für Naturkunde Berlin verknüpft, einer der weltweit ältesten und mit etwa 120.000 Tonaufnahmen umfangreichsten Sammlungen von Tierstimmen.  

Methodik (Auswahl):

  • Digitalisierung von Tonträgern
  • Messungen im schallarmen Raum
  • Schallpegelmessungen
  • Akustische Analysen
  • Messung von Hörkurven
  • Playback-Versuche

Ausstattung (Auswahl):

Tonstudio
Tontechniker: Andreas Gnensch
Das Tonstudio ermöglicht den Zugang zu fast allen historischen Tonträgern (analoge Bänder, Audio-Kassetten, DAT-Kassetten, Audio-CDs, Vinyl-Platten). Es ist ausgestattet mit professionellen Studiomaschinen (Studer und Revox), Kassettendecks, DAT-Recorder, CD-Playern, Plattenspieler, hochwertigen Analog-Digital-Wandlern (RME ADI 96 Pro) und Mischpult.

Hallarmer Raum
Ein hallarmer Raum (akustischer Halbraum) mit einem Volumen von 26 Kubikmetern steht für akustische Messungen und Kalibrierung von Messaufbauten in einer sauberen akustischen Umgebung zur Verfügung.

Akustische Aufzeichnungs- und Abspieltechnik
Das bioakustische Labor verfügt über Aufzeichnungs-, Abspiel- und Messtechnik für audiblen Schall und Ultraschallaute, die für Labor- und Freilanduntersuchungen genutzt werden, zum Beispiel:
- Mehrkanalrecorder
- Langzeitmonitoring (Wildlife Acoustics SongMeter4 und SongMeterBat)
- Autonome Ultraschall-Detektoren (Batlogger, Batcorder und AudioMoth)
- Ultraschall-Mikrophone (Avisoft, Brüel & Kjær, GRAS und Knowles)
- Messmikrofone für Frequenzbereich bis 40 kHz
- Ultraschall-Lautsprecher (Avisoft und Apodemus)
- Software für Akustische Messungen (Avisoft, Praat, MATLAB)

Messung von Hörkurven
Das bioakustische Labor verfügt über ein mobiles Set-Up, mit dem innerhalb von kurzer Zeit Hörkurven von kleinen Säugetieren gemessen werden können. Hierfür werden Hirnstammpotentiale über subkutane Elektroden abgeleitet und in Echtzeit analysiert. Die gewonnenen Audiogramme können benutzt werden, um das Hörvermögen von Tieren abzuschätzen. Dies ist eine wichtige Information für spätere Playback-Versuche oder akustische Analysen von Kommunikationslauten.

Ausgewählte Anwendungen:

Bioakustisches Monitoring (AG Frommolt)
Bioakustische Methoden sind sehr gut geeignet, um Vorkommen, Häufigkeiten und Verhaltensmuster von Individuen oder Populationen und damit Aspekte der Biodiversitätsdynamik mit standardisierten Methoden synchron und kontinuierlich über beliebig lange Zeiträume zu erfassen (Frommolt et al. 2017). Die gewonnenen Ergebnisse können dazu genutzt werden, naturschutzfachliche Entscheidungen mit überprüfbaren Beobachtungsdaten zu untermauern.

  • Frommolt, K.-H. (2017). Information obtained from long-term acoustic recordings: applying bioacoustic techniques for monitoring wetland birds during breeding season. Journal of Ornithology 158: 659-668.

Akustische Kommunikation und Artbildung (AG Mayer)
Am Beispiel akustisch kommunizierender Heuschrecken und Grillen untersuchen wir, wie sexuelle Selektion zur Artbildung beiträgt und diese möglicherweise sogar beschleunigen kann(Mayer et al. 2010, Berdan et al. 2015, Finck et al. 2016, Blankers et al. 2019). Folgende Fragen stehen im Vordergrund: Worin unterschieden sich die akustischen Signale von Tieren (Gesänge der Männchen) verschiedener Populationen und Arten? Welche Gesangsparameter werden von den Weibchen wahrgenommen und beeinflussen sie deren Paarungsbereitschaft? In welchen evolutionären Zeiträumen entstanden die Unterschiede? Und schließlich: Welche evolutionären Mechanismen liegen zugrunde, z. B. welche Rolle spielen die geographische Separation oder die genetischen Grundlagen akustischer Verhaltensweisen?

  • Blankers, T., E.L. Berdan, R.M. Hennig & F. Mayer  2019: Physical linkage and mate preference generate linkage disequilibrium for behavioral isolation in two parapatric crickets. Evolution doi:10.1111/evo.13706
  • Finck, J., E. Berdan, F. Mayer, B. Ronacher & S. Geiselhardt 2016: Divergence of cuticular hydrocarbons in two sympatric grasshopper species and the evolution of fatty acid synthases and elongases across insects. Scientific Reports 6: 33695. doi: 10.1038/srep33695
  • Berdan, E.L., C.J. Mazzoni, I. Waurick, J.T. Roehr & F. Mayer 2015: A population genomic scan in Chorthippus grasshoppers unveils previously unknown phenotypic divergence. Molecular Ecology 24: 3918-3930. doi: 10.1111/mec.13276
  • Mayer, F., D. Berger, B. Gottberger & W. Schulze 2010: Non-ecological radiations in acoustically communicating grasshoppers? In: Evolution in Action – Case Studies in Adaptive Radiation, Speciation and the Origins of Biodiversity (Glaubrecht, M. Hrsg.). Springer, Berlin Heidelberg. 451-464. doi: 10.1007/978-3-642-12425-9_21.

Vokales Lernen und Gesangsdialekte bei Fledermäusen (AG Knörnschild)
Fledermäuse gehören zu den wenigen Säugetieren, die Lautäußerungen erlernen (Knörnschild et al. 2010, 2012). Das Erlernen von Gesang durch Nachahmung von Artgenossen führt häufig zu Kopierfehlern, die wiederum zu ausgeprägten regionalen Dialekten führen können (Knörnschild 2014, Knörnschild et al. 2017). Wir untersuchen den Erwerb, die Aufrechterhaltung und die funktionale Bedeutung von Dialekten in Fledermausgesängen. Insbesondere wollen wir verstehen, ob Gesangsdialekte die Artbildung beschleunigen können.

  • Knörnschild M, Blüml S, Steidl P, Eckenweber E, Nagy M (2017) Bat songs as acoustic beacons – male territorial songs attract dispersing females. Scientific Reports 7: 13918.
  • Knörnschild M (2014) Vocal production learning in bats. Current Opinion in Neurobiology 28: 80-85.
  • Knörnschild M, Nagy M, Metz M, Mayer F, von Helversen O (2012) Learned vocal group signatures in the polygynous bat Saccopteryx bilineata. Animal Behaviour 84(4): 671-679.
  • Knörnschild M, Nagy M, Metz M, Mayer F, von Helversen O (2010) Complex vocal imitation during ontogeny in a bat. Biology Letters 6(2): 156-159.

Froschrufe als taxonomische Merkmale (AG Rödel)
Die Identifizierung unterschiedlicher Froscharten, insbesondere in den artenreichen Tropen, ist oft schwierig. Während sich viele Arten im äußeren Erscheinungsbild ähneln, unterscheiden sich aber die Paarungsrufe der Männchen in der Regel deutlich und liefern so gute Merkmale für die taxonomische Einordnung (z.B. Rödel et al. 2014, Günther et al. 2018). Im Tierstimmenarchiv des Museums für Naturkunde werden diese Rufe hinterlegt und öffentlich zugänglich gehalten. Neben der taxonomischen Arbeit mit Froschrufen sind Wissenschaftler des Museums auch an der Ausarbeitung von ‚Best-Practice‘ Richtlinien zur Aufnahme und Auswertung dieser Rufe beteiligt und erforschen deren Evolution (Köhler et al. 2017)

  • Günther, R., S. Richards & B. Tjaturadi (2018): Two new frog species from the Foja Mountains in north-western New Guinea (Amphibia, Anura, Microhylidae). – Vertebrate Zoology, 68: 109–122.
  • Köhler, J., M. Jansen, A. Rodríguez, P.J.R. Kok, L.F. Toledo, M. Emmrich, F. Glaw, C.F.B. Haddad, M.-O. Rödel & M. Vences (2017): The use of bioacoustics in anuran taxonomy: theory, terminology, methods and recommendations for best practice. – Zootaxa, 4251: 1–124.
  • Rödel, M.-O., M. Emmrich, J. Penner, A. Schmitz & M.F. Barej (2014): The taxonomic status of two West African Leptopelis species: L. macrotis Schiøtz, 1967 and L. spiritusnoctis Rödel, 2007 (Amphibia: Anura: Arthroleptidae). – Zoosystematics and Evolution, 90: 21–31.

Kommunikation durch Vibrationssignale bei Insekten (AG Hoch)
Laservibrometrie (Conrad et al. 2016) und magneto-dynamisches Aufnehmersystem werden eingesetzt, um die Evolution intraspezifischer Kommunikation durch niederfrequente Vibrationssignale in ausgewählten Modellorganismen (Insecta: Hemiptera) zu untersuchen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen zeigen unter anderem, dass a) Artenbildungsvorgänge extrem schnell ablaufen können (bei Hawaiianischen Höhlenzikaden; Wessel et al. 2013), b) subtroglophile Zikaden spezielle Anpassungen ihrer Kommunikation an ihr Habitat zeigen (Hoch et al. 2013; Soulier-Perkins et al. 2015), und c) die Spezifität der Kommunikationssignale bei Obstbaumschädlingen eine Rolle bei ihrer Kontrolle spielen könnten (Eben et al. 2014).

  • Conrad, T., Mühlethaler, R., Wessel, A. and Hoch, H. 2016. Laservibrometrie in der Insektenforschung. Laser Magazin 3, 2016.
  • Eben, A., Mühlethaler, R., Gross, J. and Hoch, H. 2014. First evidence of acoustic communication in the pear psyllid Cacopsylla pyri L. (Hemiptera: Psyllidae). J. Pest Sci. 88(1): 87-95. DOI 10.1007/s10340-014-0588-0
  • Hoch, H., Mühlethaler, R. and Wessel, A. 2013. Acoustic communication in the subtroglophile planthopper Trigonocranus emmeae Fieber, 1876 (Hemiptera: Fulgoromorpha: Cixiidae: Oecleini). Acta Musei Moraviae, Scientiae biologicae (Brno) 98(2): 155-162.
  • Soulier-Perkins, A., Ouvrard, D., Hoch, H. and Bourgoin, T. 2015. Singing in the Namoroka Caves, First Record In Situ for a Cave Dwelling Insect: Typhlobrixia namorokensis (Hemiptera, Fulgoromorpha, Cixiidae). Journal of Insect Behavior 28(6); DOI: 10.1007/s10905-015-9531-3
  • Wessel, A., Hoch, H., Asche, M., von Rintelen, T., Stelbrink, B., Heck, V., Stone, F.D. and Howarth, F.G. 2013. Founder effects initiated rapid species radiation in Hawaiian cave planthoppers. PNAS 110 (23) 9391-9396; https://doi.org/10.1073/pnas.1301657110