Brachiosaurus brancai - eine politische, wissenschaftliche und populäre Ikone
Seit fast acht Jahrzehnten überragt ein Objekt die Berliner Museumslandschaft: das Skelett des Brachiosaurus brancai, das seit 1937 im Lichthof des Museums aufgestellt ist. Es wurde ab 1909 in der damaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika, dem heutigen Tansania, unter Führung von Paläontologen des Museums für Naturkunde Berlin ausgegraben. Die Funde legen ein beeindruckendes Zeugnis der jurassischen Vergangenheit unseres Planeten ab und sind bis heute zentral für die internationale Paläontologie. Als museale Objekte umspannen sie außerdem die Geschichte des vergangenen Jahrhunderts: entdeckt während des kolonialen Kaiserreichs, präpariert und erstmals wissenschaftlich bearbeitet in den Jahren der Weimarer Republik, während des Nationalsozialismus der Öffentlichkeit präsentiert, 1943 im Keller des Museums gesichert, 1953 in der nun geteilten Stadt wiedererrichtet und 2007 schließlich auf der Grundlage aktueller Erkenntnisse und Rekonstruktionstechnologien neu aufgestellt - Brachiosaurus brancai ist ein globales Brückenobjekt, das unterschiedliche erdgeschichtliche Zeiten, politische Räume, Nationen, Kulturen und Wissensformen miteinander verbindet.
Das Projekt untersucht Brachiosaurus brancai als politische, wissenschaftliche und populäre Ikone im Jahrhundert von der Ausgrabung bis in die Gegenwart. Die politische, wissenschaftliche und museale Geschichte, Funktion und Gestaltung der weltberühmten paläontologischen Funde wird dabei in drei eng miteinander verzahnten Teilprojekten untersucht.
Die Forschungsergebnisse des Verbunds wurden unter dem Titel „Dinosaurierfragmente. Zur Geschichte der Tendaguru-Expedition und ihrer Objekte, 1906-2018“ im Dezember 2018 im Wallstein Verlag publiziert.
Teilprojekte
1. Ausgrabung und Nachgeschichte: Der Dinosaurier als politisches Objekt - Dr. Holger Stoecker
Das Teilprojekt ist am Institut für Asien und Afrikawissenschaften der HU Berlin angesiedelt und arbeitet die Ausgrabung und ihre Nachgeschichte aus afrikawissenschaftlicher und wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive auf. Im Zentrum steht die Analyse des Dinosauriers als politisches Objekt im Kontext der Kolonialgeschichte. Zeitlich konzentriert sich das Teilprojekt auf die Jahrzehnte von 1900 bis in die 1930er Jahre.
2. Der Dinosaurier als Wissensobjekt - Dr. Marco Tamborini
Das Teilprojekt ist am Museum für Naturkunde Berlin angesiedelt und untersucht Brachiosaurus brancai als Wissensobjekt. Es fragt nach der Bedeutung dieser Funde für die Entwicklung der Paläontologie, untersucht Strategien ihrer Authentifizierung, analysiert Inskriptionsformen, untersucht die Geschichte der paläontologischen Rekonstruktionen und Revisionen und analysiert die makroevolutiven Theorien. Klicken Sie hier für mehr Infos.
3. Der Dinosaurier als museales und populäres Objekt - Dr. Mareike Vennen
Das Teilprojekt ist am Institut für Kunstwissenschaften und Historische Urbanistik der Technischen Universität Berlin angesiedelt. Es fokussiert die tansanischen Funde als museale und populäre Objekte und fragt nach Präsentationen von Dinosauriern im internationalen Vergleich. Zeitlich konzentriert es sich auf die prominentesten Phasen der Sichtbarmachung und öffentlichen Imaginationen dieses Objekts, das heißt die Jahre der Grabung, der Erstrepräsentation sowie der folgenden Rekonstruktionen. Klicken Sie hier für mehr Infos.
Vergangene Veranstaltungen
6. Dezember 2018
Buchvorstellung "Dinosaurierfragmente"
6.-7. September 2018
Internationaler Workshop "Politics of Natural History. How to Decolonize the Natural History Museum?"
Flyer: flyer_politics_of_natural_history_web2.pdf
18. Juli 2017
Abendvortrag: James Delbourgo zu "Collecting the World. Hans Sloane and the Origins of the British Museum"
Flyer: flyer-collectingtheworld.pdf
21./22. November 2016
Internationale Tagung: "Working on Things: On the Social, Political, and Economic History of Collected Objects"
Die Keynote-Lecture und weitere Videoaufnahmen von Vorträgen der Tagung sind online verfügbar unter https://lisa.gerda-henkel-stiftung.de/
Programm: flyer_working_on_things.pdf
Abstracts: abstracts_cvs_working_on_things.pdf
21. November 2016
Film mit Lesung im Dinosauriersaal des Museums für Naturkunde im Rahmen der Reihe "Filmwelten der Wissenschaft": "Knochenarbeit. Oder: Dinosauria museologica"
10./11. März 2016
Workshop: "Dinosaurier in Berlin. Museums-, wissenschafts- und afrikawissenschaftliche Perspektiven auf die Geschichte des Berliner Brachiosaurus brancai, 1906-2015"
Programm: dinosaurier_in_berlin_maerz-workshop.pdf
Brachiosaurus brancai in der Debatte
Brachiosaurus brancai ist als Starobjekt der Grabungsergebnisse vom Tendaguru seit mehr als einhundert Jahren Gegenstand des öffentlichen und politischen Interesses. In letzter Zeit stand vor allem die Frage nach den Erwerbskontexten der Dinosaurierfossilien im medialen Fokus.
Die Provenienzforschung bildet einen wesentlichen Bestandteil des Verbundprojekts „Dinosaurier in Berlin. Brachiosaurus brancai - eine politische, wissenschaftliche und populäre Ikone“. Die Erwerbskontexte werden v.a. durch das Teilprojekt am Seminar für Afrikawissenschaften an der Humboldt-Universität durch Dr. Holger Stoecker untersucht.
Presse-Echo:
- Hubert Filser: Gebt sie wieder her, SZ 19.6.2019.
- Gretchen Vogel: Countries demand their fossils back, forcing natural history museums to confront their past, Science 27.5.2019.
- Volkart Wildermuth: Buchkritik: „Dinosaurierfragmente“. Wie aus einem Stück Stein spannende Naturgeschichte wird, DLF-Kultur 6.2.2019.
- Ronald Düker: Dino soll nach Hause (/Die Zukunft des Dinos), ZEIT 31.1.2019.
- Peitz Christiane: Streit um Dinosaurier im Naturkundemuseum. Ein Hinweis auf die Kolonialgeschichte wäre geboten, Tagesspiegel 31.1.2019.
- Thorsten Jantschek: Muss das Museum sich von Dinos trennen?, DLF-Kultur - Tacheles 19.1.2019.
- Kathrin Schwiering: Dino-Erbe: Der Brachiosaurus im Naturkundemuseum, RBB Kultur - Das Magazin 19.1.2019.
- Griet von Petersdorff: Tagesthemen (Min. 24:10) 14.1.2019.
- Dinosaurierfragmente. Die Geschichte des Brachiosaurus brancai, DLF-Kultur Fazit 10.12.2018.
- Wie der Brachiosaurus ins Berliner Naturkundemuseum kam. Ein Gespräch mit Ina Heumann, RBB 6.12.2018.
- Andreas Kilb: Namen, die keiner mehr nennt, FAZ 12.9.2018.
- Christoph Schmälzle: Provenienzforschung : Ist das Kunst, oder muss das wieder weg?, FAZ 16.8.2018.
- Rebekka Habermas: Kolonialismusdebatte. Picassos Masken, Süddeutsche 10.7.2018.
- Christiane Habermalz: Deutschlands koloniale Vergangenheit. Zaghafte Aufarbeitung nach langer Amnesie, Deutschlandfunk 5.6.2018.
- Philipp Oltermann: Germany moves slowly on returning museum exhibits to ex-colonies, theguardian.com 17.5.2018.
- Karl-Heinz Kohl: So schnell restituieren die Preußen nicht, FAZ 17.5.2018, S. 11.
- Michael Fischer: Tansania verzichtet auf Entschädigung, HAZ 5.5.2018.
- Anna-Lena Wenzel: Interview mit Mareike Vennen: Provenienzforschung im Museum für Naturkunde Berlin, kultur-mitte.de 24.4.2018.
- Deogratius Kamagi: Germany, Tanzania to Cooperate On Wildlife Species Research, Eabiz.com 12.3.2018.
- Mu Xuequan: Tanzania rules out bringing back dinosaur fossils preserved in Germany, Xinhua 23.2.2018.
- Bénédicte Savoy: Die Zukunft des Kulturbesitzes, FAZ 12.1.2018.
- Nikolaus Bernau: Mehr Geschichte wagen, Berliner Zeitung 29.12.2017.
- Patricia Pätzold: Vom Fossil zur Ikone, Tagesspiegel 18.12.2017.
- Richard Stoltz: Ein falscher Knochen, Junge Freiheit 16.11.2017.
- Sophie-Isabel Gunderlach: Besucherliebling im Naturkundemuseum. Dino mit kolonialer Vergangenheit, taz 23.10.2017.
- Thomas Kaestle: Berlins Dino vor Rückgabe?, HAZ 20.10.2017.
- Nada Weigelt: Wie der Riesen-Dino nach Berlin kam, dpa 19.10.2017.
- Holger Stoecker: Auf dem Hügel der Schreckensechsen, FAZ 18.10.2017.
- Andreas Kilb: Knochen für Berlin. Zwei Podien und ein Projekt zur Provenienzdebatte, FAZ 22.9.2017.
- Birgit Rieger: Provenienzforschung. Was tun mit Kriegstrophäen?, Tagesspiegel 21.9.2017.
- Tilman Baumgärtel: Ausstellung „Not A Single Bone“ in Berlin. Der Knochenklau, TAZ 11.9.2017.
- Nadine Emmerich: Brachiosaurus-Hack. Künstlerduo kritisiert mit "Not a Single Bone" koloniale Perspektive des Naturkundemuseums, epd.
- Dagmar Dehmer: Herkunftsforschung in Berliner Museen. Nachdenken über Tendaguru, Tagesspiegel 6.9.2017.
- Thomas Gith: Schatzkammer der Arten. Hinter den Kulissen des Berliner Naturkundemuseums, Kulturradio 7.8.2017.
- Florence Mugarula: Tanzania: State Won't Bring Back Dinosaur Fossils, allAfrica 29.6.2017.
- Valentine Oforo: Return of dinosaurs’ remains from Germany not profitable, govt says, The Citizen 28.6.2017.
- Ricardo Tarli: Streit in Berlin. Naturkundemuseum soll Saurierknochen an Tansania zurückgeben, Tagesspiegel 26.7.2016.
- Hauke Friederichs: Der Schatz aus dem „deutsche Boden Afrikas“, PM History 1.7.2016, S. 64-73.
- Julian Daum: Warum der weltberühmte Brachiosaurus im Naturkundemuseum in Berlin zu sehen ist, Berliner Zeitung 10.3.2016.
Kooperationspartner
"Dinosaurier in Berlin" wurde in Kooperation mit dem Institut für Asien- und Afrikawissenschaften und dem Exzellenzcluster Bild Wissen Gestaltung der Humboldt-Universität zu Berlin sowie dem Institut für Kunstwissenschaften und Historische Urbanistik der Technischen Universität Berlin durchgeführt.
Finanzierung
Das Projekt wird gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung.