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Embryologische Sammlung

Laborproben, Foto: HwaJa Götz / MfN

"Eine Schatzkammer der vergleichenden Embryologie" nennen Richardson und Narraway (Int. J. Dev. Biol. 43, 1999) die Embryologische Sammlung am Museum für Naturkunde Berlin – eine passende Charakterisierung angesichts der einzigartigen Materialfülle: 600 Wirbeltierarten in mehr als 3.000 Gläsern Alkohol sowie rund 80.000 histologische Präparate von Wirbeltierentwicklungsstadien und Reproduktionsorganen mit zugehörigem Archivmaterial bilden diese Sammlung.

Geschichte

Diese größte Sammlung ihrer Art von Wirbeltierentwicklungsstadien und Reproduktionsorganen wurde am Ende des 19. Jh. vom Niederländer Ambrosius Hubrecht (1853-1915) begründet. Dabei lag der Schwerpunkt zunächst auf ursprünglichen, höheren Säugetieren (Placentalia). Durch Eingliederung weiterer Sammlungen wurde sie zur heutigen Bedeutung geführt. Herausragender Zugang ist die Sammlung von James P. Hill (1873-1954) mit Schwerpunkt auf australischen Säugetieren. Daneben sind die histologischen Sammlungen von Carl A. Dohrn (1806-1892) (Schwerpunkt: Fische), Emil Selenka (1842-1902) (Primaten), Louis Bolk (1866-1930) (Wirbeltiere) und Willy Kükenthal (1861-1922) (Wale) zu nennen. Außerdem enthält die Embryologische Sammlung das histologische Material experimenteller Ansätze in der Entwicklungsbiologie z.B. von Wissenschaftlern wie Hilde Mangold (1898-1924), Hans Spemann (1869 -1941) und Hans Grüneberg (1907-1982).

Highlights

Die embryologische Sammlung ist in ihrer Größe und Diversität einzigartig. Sie verfügt  unter anderem über historisches Primaten- und Walmaterial, das heute in dieser Form nicht mehr gesammelt werden kann. Auch die wohl bedeutendste Sammlung von Kloakentieren (Monotremata) und Beuteltieren (Marsupialia) sind Teil dieser Sammlung. Diese Exemplare stammen vorwiegend aus der Sammlung von James P. Hill, der sie an der Wende zum 20. Jh. während seiner Zeit in Australien gesammelt hat und die später durch weitere Exemplare von Theodore T. Flynn (1883-1968) erweitert wurde. Daneben finden sich histologische Präparate sowie die Originalaufzeichnungen der Versuchsreihen, die zur Verleihung des Nobelpreises an Hans Spemann führten.

Skizze eines Igelembryos

In den zur Sammlung gehörenden historischen Dokumenten findet sich eine ausführliche Dokumentation zu den Objekten, insbesondere der Teilsammlungen von Ambrosius Hubrecht, James P. Hill,  sowie einem Teil der experimentellen Forschung. So gehören die Originalkataloge der Hubrecht Sammlung zu den herausragenden Objekten der Sammlung, da sich hier Informationen zur Sammlung, Bearbeitung und Nutzung der einzelnen Objekte finden. Daneben sind viele dieser Exemplare in meisterlich ausgeführten Bleistiftzeichnungen dargestellt.  Die abgebildete Seite zeigt den Katalogeintrag zu dem Igelembryo Erinaceus europaeus 304 aus der Hubrecht Sammlung. Hubrecht lobte zur Gewinnung möglichst vieler Embryonen verschiedener Entwicklungsstadien eine Belohnung von einem Viertelgulden aus, der für jeden bei ihm abgelieferten Embryo gezahlt wurde. Dies führte zu einem enormen Zuwachs von Igelembryonen in seiner Sammlung, die heute sowohl als histologische Schnittserien als auch als Alkoholpräparate vorliegen.

Skizze eines Igelembryos

Das Ei eines australischen Kurzschnabeligels

Aus dieser Sammlung stammt eines der wenigen Schauobjekte, die für die Lehre eingesetzt wurden. So findet sich ein Schauglas mit dem Ei eines australischen Kurzschnabeligels (Tachyglossus aculeatus) in der Bruttasche, das James P. Hill wohl für die Demonstration der Reproduktion dieser eierlegenden Säugetierart genutzt hat. Die Bruttasche liegt auf der Bauchseite des Schnabeligelweibchens, wo auch die in der Tiefe des Glases sichtbaren Milchdrüsen in einem Milchfeld münden und nicht, wie bei Beuteltieren oder plazentalen Säugetieren, in einer Zitze, an der die Jungtiere saugen.

Schauobjekt tachyglossus acuelatus schnabeligel, Foto: HwaJa Götz / MfN

Forschung

Die Sammlung wird regelmäßig von Gästen der Sammlung genutzt, die vorwiegend aus Europa, Nordamerika und Australien stammen. Daneben wird sie von verschiedenen Wissenschaftlern des Museum für Naturkunde genutzt, um morphologische Fragestellungen zu bearbeiten.

Der Zugang zur Sammlung ist nur nach vorheriger Absprache mit dem Kurator möglich.

Bibliothek

Neben der großen Fülle von sammlungsbezogenen Dokumenten wie Katalogen und Aufzeichnungen gehört eine kleine Handbibliothek zur Embryologischen Sammlung. Hier werden insbesondere die Normentafeln aus den ersten Jahrzehnten des 20. Jh. von internen und externen Nutzern angefragt.