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Mikropaläontologiesammlungen

Die Sammlung der Mikropaläontologie am MfN besteht aus drei zentralen Untersammlungen:

Die Tiefsee-Sammlung besteht aus:

  • der Lamont-Sammlung von ca. 70.000 Radiolarien- und Diatomeen-Objetträgern;
  • der Lazarus-Sammlung aus mehreren tausenden Proben von Tiefsee-Bohrungssedimenten und gewaschenen Ablagerungen;
  • der Microfossil Reference Center (MRC) Radiolarien-Sammlung (langfristiger Leihstatus vom NSF; USA) – über 5,000 präparierte Radiolarien-Objektträger aus Tiefsee-Sedimenten, größtenteils känozoisch, weltweite Verbreitung;
  • die Mohr-Sammlung aus rund 2,000 Palynologie-Objetträgern (Dinoflagellate, Pollen und Sporen) aus Tiefsee-Sedimenten;
  • und die Frydas-Sammlung mariner Mikrofossilien (Silicoflagellate, Coccolithophoriden, Diatomeen und planktischen Foraminiferen) aus marinen Sedimenten verschiedener Landabschnitte, hauptsächlich Griechenland und angrenzende Regionen.

Die Ehrenberg-Sammlung – Mehrere tausend Proben, Mika-Präparate, Zeichnungen zahlreicher und verschiedener Gruppen von Fossilien und lebenden Mikroorganismen aus aller Welt.

Die Ostrakoden-Sammlung – 10 Vitrinen, hauptsächlich gefüllt mit geborgenen Objektträgern und gewaschenen Ablagerungen, insgesamt mehrere tausend Proben; plus 2 Vitrinen, überwiegend gefüllt mit Gesteinsproben aus dem Paläozoikum und geborgenem Material.

Zusätzlich gibt es kleinere Sammlungen aus anderen Materialien, unter anderem:

Die Foraminiferen-Sammlung – 3 kleine Vitrinen mit gemischten geborgenen Materialien und Gesteinsproben, überwiegend benthisch, verschiedenen Alters.

Die Keupp-Sammlung – Dinoflagellate, überwiegend kalkartig, aus einer Vielzahl an Orten stammend inklusive einigem Tiefsee-Material.

Das MfN beheimatet eine der weltweit größten Sammlungen mariner silikatischer Mikrofossilien mit weit über 100,000 Sammlungseinheiten und weit über 2,000 Holotypus-Proben. Hauptsächlich wird die Sammlung zur Grundlagenforschung verwendet, aber Materalien der Ehrenberg- und Radiolarien-Sammlung MRC sind  auch der Öffentlichkeit in Ausstellungen zugänglich. Ein Großteil der Inhalte, etwa die Lamont-Sammlung, sind  erst dazugekommen und bisher weder abschließend  konservatorisch aufbereitet  noch in der Datenbank erfasst.

Die Tiefsee-Sammlung

Mikrofossilien, hauptsächlich Plankton, aus Tiefsee-Sedimenten sind der größte und wichtigste Teil der Mikropaläontologie-Sammlungen des Museums. Die Sammlung hat ihren  Hauptaugenmerk im Bereich mariner Biosilica-Mikrofossilien (marine planktonische Diatomeen, Radiolarien, Silicoflagellate und andere), und ist eine der weltweit größten für diese Gruppen.

Die Lamont-Sammlung wurde im Juni 2021 erworben. Sie besteht aus 40.000 Radiolarien und 30.000 Diatomeen-Trägern, die zwischen den 1960ern und 2000ern von vielen Wissenschaftler:innen und Techniker:innen am Lamont Earth Observatory of Columbia University aufbereitet wurden. Diese Arbeit geschah unter der Leitung von James D. Hays (Radiolarien) und Lloyd Burckle (Diatomeen). Sie umfasst Objekte aus aller Welt, aber mit einem zeitlichen Schwerpunkt auf dem späten Neogen bis  Quartär und Objektträgern aus Oberflächensedimenten und Pistonkernen sowie Tiefseebohrungen. Viele dieser Objektträger wurden für die bahnbrechenden CLIMAP-Studien des quartären Klimawandels (Hays und J. Imbrie, Mitbegründer), die die Gültigkeit der Milankovitsch’schen Orbitalzeitskalen-Theorie zur Eiszeit auf der Erde aufzeigten, herangezogen. Diese Befunde legten wiederum den Grundstein für die hochauflösende Altersdatierung von Sektionen, ein grundlegender Bestandteil der modernen Paläoozeanografie und Klimawandelforschung. Momentan sind die Objektträger über eine Karteibibliothek dokumentiert, die mitsamt der Sammlung erworben wurde.

Die Lazarus-Sammlung, die hauptsächlich aus känozoischen Radiolarien und einiger Diatomeen-Objektträger besteht, wurde vor 30 Jahren begonnen und umfasst größtenteils Proben, die im Rahmen globaler Tiefsee-Bohrungsprogrammen gesammelt wurden (DSDP, DOP, IODP). Sie beinhaltet eine überschaubare Menge an Typusmaterial und kommt hauptsächlich bei angewandter Forschung in den Bereichen Taxonomie, Biostratigrafie, Paläoozeanografie und Evolution zur Verwendung.

Neben Materialien, die von Dr. David Lazarus und dessen Mitarbeiter:innen am MfN Berlin aufbereitet wurden, umfasst sie auch einige Träger und Proben von anderen Radiolarien-Forscher:innen wie P. H. Chen. Der Großteil dieser Materialien stammt aus südlichen Ozeansedimenten.

Die MRC-Sammlung ist Teil eines globalen Netzwerks ähnlicher Sammlungen von Radiolarien und anderer wichtiger Tiefsee-Mikrofossilgruppen. Gegenwärtig leitet das MfN dieses Netzwerk und verwaltet die zentrale MRC-Sammlungsdatenbank. Hier finden Sie mehr Informationen über das MRC-Projekt. Und hier finden Sie die Homepage der gegenwärtigen IODP-Phase des Tiefsee-Bohrungsprogramms.

Die Mohr-Sammlung wurde von Dr. Barbara Mohr gestiftet und umfasst etwa 2,000 Träger mit Tiefsee-Sedimenten, die für palynologische Untersuchungen aufbereitet wurden. Diese enthalten marine Dinoflagellate sowie an die Küste transportierte irdische Pollen und Sporen.

Die Frydas-Sammlung wurde von Dimitris Frydas im Juni 2021 gestiftet. Sie umfasst etwa 1,000 Objektträger und Proben mariner Mikrofossilien. Während einige aus Tiefsee-Sedimenten stammen, wurde die Mehrzahl aus pelagischen oder hemipelagischen, an Land ausgesetzten Sedimenten entnommen. Schwerpunkt der Sammlung liegt auf Griechenland. Der Großteil des Materials stammt aus dem Neogen.

Die Ehrenberg-Sammlung

Die Ehrenberg-Sammlung ist die älteste bedeutende Mikropaläontologie-Sammlung der Welt. Sie umfasst Materialien, die bis auf das 19. Jahrhundert zurückgehen. Ins Leben gerufen wurde sie von Christian Gottfried Ehrenberg (1795–1876), einem der bekanntesten und produktivsten Wissenschaftler seiner Zeit. Er war der erste Wissenschaftler, der lebende und fossile mikroskopische, größtenteils einzellige Organismen systematisch erforschte. Die Sammlung enthält Typusexemplare von über 2000 Arten und hunderten von Gattungen, inklusive vieler der häufigsten Arten und Gattungen in wichtigen Gruppen wie den Diatomeen. Die Ehrenberg-Sammlung dient der Neubeschreibung von Typusmaterialien und die Festlegung von Namen. Es ist die einzige Sammlung im MfN, die maßgeblich aus von Charles Darwin gesammelten Objekten besteht und Material von seiner Reise auf der Beagle beinhaltet.

Ehrenberg wurde in Delitzsch nahe Leipzig geboren und studierte Naturwissenschaften in Berlin. Dort befreundete er den berühmten Wissenschaftler und Entdecker Alexander von Humboldt. Auf Humboldts Empfehlung ging Ehrenberg auf eine vieljährige wissenschaftliche Expedition in den mittleren Osten, wo er tausende Proben von Pflanzen und Tieren sammelte, von denen viele bis heute am MfN, ehemaliges Institut für Zoologie, gelagert sind. Nach seiner Rückkehr von dieser Expedition konzentrierte Ehrenberg seine Studien auf mikroskopische Organismen, die von der Wissenschaft bis dahin noch nicht systematisch erforscht  wurden.

Über einen Zeitraum von fast 30 Jahren untersuchte Ehrenberg Proben aus Wasser, Boden, Sediment, Gestein – praktisch jedes Material, das möglicherweise lebende oder fossile mikroskopische Organismen enthielt – und beschrieb tausende neuer Arten und hunderte neuer Gattungen in fast 400 wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Die meisten seiner Veröffentlichungen erschienen im Monatsbericht und den Abhandlungen der Preußischen Akademie der Wissenschaften und können online nachgelesen werden. Als Ergebnis seiner enormen Arbeit legte Ehrenberg den Grundstein für das heutige Feld der Mikropaläontologie. Die meisten von Ehrenbergs Arbeiten befassen sich mit einer einzelligen Gruppe von Protisten namens Diatomeen, auch wenn er viele andere Protisten-Arten ebenfalls untersuche und taxonomisch beschrieb, vor allem Radiolaren. Seiner Zeit war Ehrenberg weltweit bekannt (zumindest unter Wissenschaftler:innen) und erhielt oft Materialien aus aller Welt, mit Bitte um seine Meinung.

Die Ehrenberg-Sammlung  ist es eine Sammlung von globalem Ausmaß, die Material von allen Kontinenten umfasst. Beitragende Sammler:innen erstrecken sich von berühmten Wissenschaftler:innen wie Darwin zu Amateur-Naturforscher:innen wie Assistenzchirurg J.C. Madison, der 12 Proben aus Fort Washita, Cherokee Nation (heute Oklahoma) bereitstellte. Nach Ehrenbergs Tod im Jahr 1876 wurde seine Sammlung mikroskopischer Organismen im Museum für Naturkunde aufgenommen / integriert. Die Ehrenberg-Sammlung besteht aus mehreren Teilen, einschließlich etwa 8.000 Mikroskop-Präparaten, 5.000 unbearbeiteten Proben, 3.000 Stift- und Tintenzeichnungen, fast 1.000 Briefkorrespondenzen sowie Index-Büchern und anderen Dokumenten. Aufgrund des hohen Alters und der taxonomischen Relevanz der Sammlung wurde sie in den 2000ern ausgiebig neu kuratiert, teils mit der Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF).

Informationen über die Sammlung gibt es online sowohl über die Datenbank der Ehrenberg-Sammlung als auch über die ftp-Seite, auf der Nutzer:innen Originalzeichnungen, die handgeschriebenen Sammlungskataloge seiner Tochter Clara sowie Kopien seiner zwei großen Monografien herunterladen können: Infusionsthierchen (1838) und Mikrogeologie (1854).

Ergebnisse der taxonomischen Forschung zur Sammlung wurden weitgehend in der Literatur veröffentlicht.

Hier können Sie neuere Beschreibungen von Algentypen aus der Sammlung einsehen. Radiolaren-Typen finden Sie hier.

Ostrakode und kleinere Sammlungen

Der paläozoische Teil der Ostrakoden-Sammlung schließt Typusmaterial mit ein und kann teilweise bis zurück ins 19. Jahrhundert datiert werden. Der hauptsächlich auf das Pleistozän-Holozän datierte Teil der Ostrakoden-Sammlung umfasst ebenfalls ein paar Typen. Die Sammlung wurde in der DDR-Zeit begonnen, primär für regionale geologische Studien. Die Foraminiferen-Sammlung umfasst größtenteils älteres Material aus Deutschland, das im 19. und 20. Jahrhundert gesammelt wurde, und beinhaltet einige Typen. Informationen zur Lokalität und andere Metadaten für diese Sammlungen sind lückenhaft und die Sammlungen wurden in den letzten Jahrzehnten nur selten verwendet. Die Keupp-Sammlung wurde vergleichsweise kürzlich akquiriert, bisher aber noch nicht vollständig inventarisiert.

Nachweise

Imbrie, J., Imbrie, K.P., 1979. Ice Ages. Enslow, Short Hills, New Jersey. - Describes work by scientists at Lamont and other institutions based on deep-sea sediments and microfossils.

Lazarus, D.B., 1998. The Ehrenberg Collection and its curation. In: D.M. Williams and R. Huxley (Editors), Christian Gottfried Ehrenburg (sic) (1795-1876): The man and his legacy. The Linnean Society, pp. 31-48.

Lazarus, D.B. and Jahn, R., 1998. Using the Ehrenberg Collection. Diatom Research, 13(2): 273-291.

Lazarus, D., 2006. The Micropaleontological Reference Centers network. Scientific Drilling 3, 46–49.