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Paläobiologie und Systematik jurassischer Sauropoden

Fragestellung

Der schon durch die Größe extreme Bauplan der Sauropoden macht sie zu einem spannenden Forschungsobjekt. In meinen Forschungsvorhaben bearbeite ich Aspekte der funktionellen Morphologie, Paläoökologie und Systematik sauropoder Dinosaurier aus dem Jura (200-142 MA). Die Rekonstruktionen der Ernährungsweise, Beweglichkeit und Mobilität des Körpers sowie der systematischen Zusammenhänge von Sauropoden geben ein umfassenderes Bild der Paläobiologie der Sauropoden und ermöglichen dadurch auch neue und detailreichere Einblicke in vergangenen Ökosysteme. Das Museum für Naturkunde beherbergt eine große Sammlung von Dinosaurierfossilien, die eine ausgedehnte Forschungstätigkeit ermöglichen. Eine besondere Bedeutung hat das Material der Dinosaurier aus Tendaguru (Oberer Jura, Tansania), zu der eine große Anzahl gut erhaltener Skelettreste unterschiedlicher Sauropoden gehört.

Ähnlich wie die heutigen Vögel besaßen Sauropoden ein  Luftsacksystem im postcranialen Skelett, durch welches die Knochen der Wirbelsäule von luftgefüllten Gewebeblasen ausgehöhlt wurden. Das Luftsacksystem der Sauropoden ist Teil meiner Forschungsarbeiten. Neben der Bedeutung für die Atmung der Tiere (effektive Ventilation der Lunge durch blasebalg-artige große Luftsäcke) führt das Vorhandensein eines Luftsacksystems auch zu einer deutlichen Gewichtsreduzierung und ist dadurch ein bedeutender Faktor für die Ermöglichung extremer Körpergrößen. Computertomographische Aufnahmen machen das Ausmaß und die Architektur der Aushöhlung der Wirbelknochen sichtbar und spielen auch für die systematische Einordnung der einzelnen Sauropodengruppen eine wichtige Rolle.

Funktionelle Zusammenhänge im Körperbau von Sauropoden können über die Rekonstruktion ihrer Weichteile (Muskeln, Bänder, Luftsäcke) und der Mobilität von Einheiten im Skelett  geklärt werden. In meiner Forschung suche ich mit Hilfe so erstellter biomechanischer Modelle nach Antworten darauf, wie Sauropoden während der Futtersuche ihre langen Hälse gehalten und bewegt haben, wie der Rumpf beim Laufen stabil gehalten werden konnten, oder welche Bedeutung der Schwanz bei verschiedenen Sauropoden hatte. Ein wichtiger Aspekt für die Rekonstruktion der Paläobiologie von Sauropoden ist auch ihre Ernährungsweise. Sauropoden waren ausschließlich Pflanzenfresser, die ihre Zähne regelmäßig gewechselt haben. Mit Hilfe des Sammlungsmaterials am MfN lässt sich hervorragend rekonstruieren, wie häufig dieser Zahnwechsel erfolgte. Computertomographische Aufnahmen zeigen die noch im Kiefer versteckten Ersatzzähne, welche einzeln oder in ganzen Reihen nachrücken. Durch diese Forschungsarbeiten kann man ableiten, in welchem Maße die pflanzenfressende Sauropoden desselben Ökosystems sich auf ein variierendes Nahrungsspektrum von harten bis zu weichen Futterpflanzen spezialisierten oder sich eher generalistisch ernährten. Zusammen mit den Rekonstruktionen zu Hals- und Körperbeweglichkeit entsteht durch diese Forschungsarbeiten ein umfassenderes Bild von ihrer Ökologie und ihrem Ökosystem. Aus den gut erhaltenen verknöcherten Hirnschädeln können zudem virtuelle Modelle der Gehirne und Schädelnerven angefertigt werden.

Die Systematik der Sauropoden ist für deren Großgruppen gut etabliert, dennoch haben einzelne Gattungen oft eine wechselhafte Bestimmungsgeschichte. Speziell im Falle der Sauropoden aus Tendaguru (Oberer Jura, Tansania) sind die Beschreibungen einiger Gattungen wie Giraffatitan („Brachiosaurus“) und Dicraeosaurus lange her und bedürfen einer Überarbeitung. Weitere Gruppen, wie die früher hauptsächlich Tornieria und “Barosaurus” zugeordneten Diplodociden und die Titanosaurier (Janenschia, Tendaguria) sind zudem nach neuen Erkenntnissen deutlich diverser als es frühere Beschreibungen erfassen konnten. Hier ist eine neue systematische und taxonomische Bearbeitung der Funde unbedingt notwendig, um die wahre taxonomische Diversität der Fundstelle Tendaguru besser auszuarbeiten. Neben den Tendaguru-Sauropoden arbeite ich auch an anderen Sauropoden- Taxa des oberen Jura wie „Cetiosauriscus greppini“ (Oberer Jura, Schweiz).  

Angewandte Methoden

Für meine Forschungsarbeiten nutze ich vergleichend anatomische Ansätze, die sich sowohl auf Fossilien als auch heutige, nahe verwandte oder funktionell ähnliche Tiere zum Vergleich beziehen. So bieten sich z.B. heutige Vögel als nächste Verwandte der Dinosaurier im Hinblick auf Weichteile und Skelettanatomie für einen Vergleich an. Ein wichtiger Pfeiler meiner Arbeit sind zerstörungsfreie Bildgebungsverfahren, v.a. medizinische Computertomographie, welche den Blick ins Innere der Knochen ermöglichen. Computergestützte 3D Analyseverfahren (FEA, SIMM, CAD Modellierung, TNT für systematische Arbeiten) werden bei Bedarf ebenfalls herangezogen oder von  Kooperationspartnern verwendet. 

Kooperationspartner

  • Dr. Veronica Díez-Díaz, Museum für Naturkunde & HU Berlin
  • Guido Fritsch, Leibniz Institut für Zoo- und Wildtierforschung
  • Dr. Fabien Knoll, University of Manchester
  • Dr. Heinrich Mallison, Pöttmes
  • Dr. Philip D. Mannion, Imperial College London
  • Prof. Dr. Christian A. Meyer, Universität Basel

Ausgewählte Publikationen

  • Schwarz, D., Kosch, J., Fritsch, G. & Hildebrandt, T. (2015). Dentition and tooth replacement of Dicraeosaurus hansemanni (Dinosauria, Sauropoda, Diplodocoidea) from the Tendaguru Formation of Tanzania. Journal of Vertebrate Paleontology, 35 (6): e1008134
  • Schwarz-Wings, D. & Böhm, N. (2014). A morphometric approach to the specific separation of the humeri and femora of Dicraeosaurus from the Late Jurassic of Tendaguru/Tanzania. - Acta Palaeontologica Polonica, 59 (1): 81-98
  • Schilling, R., Barck, M., Weinhold, J., Wings, O., Schwarz-Wings,D., Jastram, B., Issever, A. S. (2014). Virtual reconstruction and 3D print of a dinosaur vertebra. – Radiology, 270 (3): 864-871
  • Knoll, F., Witmer, L. M., Ortego, F., Ridgely, R.C. & Schwarz-Wings, D. (2012). The Braincase of the Basal Sauropod Dinosaur Spinophorosaurus and 3D Reconstructions of the Cranial Endocast and Inner Ear. - PLoS ONE, 7 (1): 12 pp.
  • Schwarz-Wings, D. (2009). Approach to the reconstruction of the thoracic epaxial musculature of sauropod dinosaurs. – Journal of Vertebrate Paleontology, 29 (2): 517-534