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Paläopathologie der Phytosaurier

Schädel von Mystriosuchus mit abnormaler Vertiefung (ad) im Knochen vor der Nasenöffnung (na) und möglicher Kallusbildung (pc) auf dem Rostrum. Schädellänge etwa 100 cm.

Das spannende und innovative Forschungsfeld der Paläopathologie, das sich der Untersuchung prähistorischer Krankheiten und Verletzungen widmet, hilft Forschenden dabei, tiefere Einblicke in die Lebensweise von längst ausgestorbenen Organismen zu erhalten. Der Wissenschaftler Dr. Florian Witzmann lenkt im Rahmen des von der DFG geförderten Forschungsprojekts sein Augenmerk auf die vorgeschichtlichen Krankheiten von Phytosauriern. Die Phytosaurier sind eine artenreiche, karnivore Gruppe von Reptilien, die für großangelegte paläopathologische Studien besonders gut geeignet sind, da von ihnen tausende Exemplare in Museen weltweit aufbewahrt werden. Es gibt bisher keine Übersicht über die Bandbreite und Ursachen der Pathologien bei Phytosauriern, obwohl zahlreiche pathologische Exemplare existieren. Diese Wissenslücke möchte Dr. Florian Witzmann durch umfangreiche Studien über die Arten und Häufigkeiten von Krankheiten bei Phytosauriern schließen. Dabei zielen seine Untersuchungen darauf ab, anhand der gewonnenen Erkenntnisse, Rückschlüsse auf die Lebensweise und das Verhalten von Phytosaurier zu ziehen.

Die Phytosaurier, die systematisch der Gruppe der Archosaurier zugeordnet werden, lebten vor über 200 Millionen Jahren im Zeitalter der Obertrias. Interessanterweise können sie, trotz keiner näheren Verwandtschaft, mit den Krokodilen verglichen werden, die als ihr heutiges ökologisches Äquivalent gelten.  Abgesehen von ihrer damals nahezu weltweiten Verbreitung ist bisher nur wenig über die Phytosaurier bekannt. Ziel des Forschungsprojekts ist es daher, mithilfe der Paläopathologie durch die Untersuchung der in den Fossilien gefundenen Verletzungen, innerartliche Aggressionsmuster und Nahrungsbeziehungen, sogenannte trophische Interaktionen, zu entschlüsseln. Dabei stehen folgende fünf Hypothesen im Zentrum des Forschungsvorhabens:
 

  1. Die ökologischen Anpassungen und Verhaltensweisen semiaquatisch lebender Phytosaurier ähneln denen heutiger Krokodile, und es ist wahrscheinlich, dass sie ähnliche Arten und Häufigkeiten von Krankheiten aufweisen.
  2. Der Kampf um Ressourcen und Paarung war möglicherweise ein altes Verhalten der Archosaurier, das sowohl bei Krokodilen als auch bei Phytosauriern aus der Trias zu beobachten ist.
  3. In der Obertrias waren die Phytosaurier die Spitzenprädatoren in nicht-marinen Lebensräumen und ernährten sich voraussichtlich auch von anderen Raubtieren.
  4. Es ist zu erwarten, dass die verschiedenen Phytosaurierarten, die zu ihrer Zeit in unterschiedlichen Lebensräumen (Paläolebensräume) lebten, auch unterschiedliche Arten und Häufigkeiten von Krankheiten aufwiesen.
  5. Phytosaurier zählen wie Krokodile und andere Reptilien zu den wechselwarmen Tieren, weshalb ihre Knochenheilung nach Knochenbrüchen eher den heutigen ektothermen Tieren als der von endothermen Tieren wie Vögel und Säugetiere ähnelt. Die Knochenheilung kann auch zu Veränderungen in der Knochenstruktur geführt haben, die sich auf die allgemeine Knochenstärke und Fitness ausgewirkt haben könnte.

Um diese fünf Hypothesen zu testen, werden pathologische Exemplare von Phytosauriern aus verschiedensten Museumssammlungen aus den USA und Deutschland morphologisch untersucht. Andere geplante Methoden beinhalten Messungen durch Mikro-Computertomographie (µCT) und medizinisches CT als auch Knochenhistologie. Anhand von Synchroton-Untersuchungen, also Materialuntersuchungen mittels Teilchenbeschleuniger, soll beurteilt werden, ob die Art der Knochenheilung auf ein insgesamt eher langsameres oder schnelleres Wachstum des Skeletts bei Phytosauriern im Vergleich zu anderen frühen Archosaurierformen und Krokodilen hinweist. Darüber hinaus werden die 3D-Modelle der Knochen aus den Synchroton-Daten als Grundlage für die Finite Element Analysen (FEA) verwendet, um ein Gesamtbild der mechanischen Auswirkungen des Knochenumbaus nach Verletzungen zu erhalten.  Anhand dieser Technik ist es möglich, physikalische Systeme zu modellieren und vorherzusagen, wie sich diese unter verschiedenen Bedingungen verhalten. Letztendlich wird der Einsatz innovativer Methoden dazu führen, allgemeine Beziehungen zwischen Knochenheilung, Wachstumsrate und der Knochenstärke zu ermitteln. 

Die Ergebnisse dieses Projektes werden nicht nur unser Verständnis zu Phytosauriern verbessern, sondern auch zu tieferen Einsichten in die Evolution der frühen Archosaurierformen führen.