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Manipulation

Dass Parasiten ihre Wirte bis hin zur Umwandlung des Geschlechts manipulieren können, klingt unglaublich. Und doch ist es wahr: sie haben Einfluss auf den Hormonhaushalt, steuern Nervensysteme oder greifen mechanisch in den Wirtsorganismus ein. Diese drei Stories erklären, was es damit auf sich hat.

 

Meister der Manipulation

Der Klassiker der parasitären Gehirnwäsche ist der Kleine Leberegel (Dicrocoelium dendriticum). Der Wurm lebt in Schafen und muss über zwei Zwischenwirte (Schnecken und Ameisen) wieder in ein Schaf gelangen. Zunächst nehmen Schnecken die über den Schafskot ausgeschiedenen Parasiteneier mit ihrer Nahrung auf. Dort entwickeln sich die Larven, wandern in die Mundhöhle und werden in Schleimbällchen ausgeschieden. Diese werden nun von Ameisen gefressen, in denen die Entwicklung des Parasiten weitergeht, bevor er wieder in ein Schaf gelangen kann. Da ein Schaf keine Ameisen auf dem Speiseplan hat, braucht der Parasit einen Trick. Eine Larve wandert in den Kopf der Ameise und setzt sich in einem Nervenknoten der Mundwerkzeuge fest. Der Hirnwurm steuert von nun an ihr Verhalten.
Anstatt bei Einbruch der Nacht ins Nest zu laufen, marschiert die Ameise wie ferngesteuert einen Grashalm hoch und verbeißt sich darin. Durch ihren Mandibelkrampf gezwungen, an der Pflanze zu verharren, wird sie in den Morgenstunden von Schafen zufällig mitgefressen. Geschieht dies nicht, löst sich ihr Mandibelkrampf durch die Sonnenwärme und sie mischt sich wieder unter ihr Volk – bis zum nächsten Abend, dann treibt es sie wieder auf die Pflanzenspitzen.

 

Männliche Krabben werden umgepolt

Der Wurzelkrebs (Sacculina carcini) beherrscht die Kunst aus Männchen „Weibchen“ zu machen. Wenn eine weibliche Sacculina-Larve eine männliche Krabbe befällt, verändert sie aktiv deren Hormonhaushalt und versucht, die männliche Krabbe zum Weibchen „umzupolen“. Zuerst wird die männliche Krabbe sterilisiert, im späteren Verlauf verändert sich ihr Hinterleib. Männliche Krabben, die von Sacculina befallen sind, imitieren die Balzrituale weiblicher Krabben und betreiben Brutpflege, wobei sie allerdings nicht ihre eigene Brut, sondern natürlich die von Sacculina behüten.

 

… und ewig lockt die Fühlermade

Parasiten zwingen ihre Wirte Dinge zu tun, die sie dem Tod näherbringen, aber damit den Weg für die nächste Generation des Parasiten bereiten. Aus unserer menschlichen Sicht sind die Mechanismen zuweilen fast unglaublich. Ratten büßen im Würgegriff des Einzellers Toxoplasma gondii ihr natürliches Angstverhalten vor Katzen ein und werden von Katzenurin geradezu angelockt. Heuschrecken folgen einem Himmelfahrtskommando und stürzen sich in Gewässer, damit der Saitenwurm Spinochordodes tellinii das Insekt verlassen und sich paaren kann, während der Zwischenwirt ertrinkt. Besonders perfide agieren die Larven des Saugwurms Leucochloridium paradoxum. Sie wandern zunächst in die Fühler ihres Zwischenwirts, einer Schnecke, wo sie deutlich sichtbar zu pulsieren beginnen, um Vögel, ihre Endwirte, auf die Beute aufmerksam zu machen. Oft mit Erfolg.

 

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