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Meta Friese: Die Anwältin der Objekte

Registrar Meta Friese in der Sammlung des Museums für Naturkunde

Meta Friese ist Kunsthistorikerin. Jemand also, der mit großer Hochachtung mit musealen Objekten umgeht, ihren Wert oft auf den ersten Blick erkennt. Seit April 2021 ist sie am Museum für Naturkunde Berlin dafür zuständig, dass Sammlungsobjekte gut behandelt werden, ihnen nichts zustößt. Nicht nur, wenn sie umziehen müssen, weil Bauarbeiten stattfinden, auch, wenn sie als Leihgabe für Ausstellungen angefragt werden. 

Dieser Artikel erschien zuerst in unserem Journal für Natur (Ausgabe 8/2023).

Meta Friese läuft zufrieden durch die Regalreihen. Hier, in einem historischen Saal des Museums, lagern seit Kurzem die Säugetierfelle, sorgsam in Archivschachteln gebettet, etikettiert und einsortiert in tiefe Regalböden, die den Raum wie ein stählernes Skelett ausfüllen.

Vereinzelt lugen Tatzen und Schnauzen hervor, die einer Zibetkatze oder eines Feldhasen, die zum Schutz vor Staub in weißes Vlies eingeschlagen sind. Eine Treppe führt auf die obere Ebene des Regalskeletts, darunter steht ein massiges Nilpferd auf kurzen Beinen. Eine Kolonie historischer Fledermaus Präparate hängt in Plastiktüten verpackt an Rockbügeln.

Der Umzug der Fellsammlung war einer der letzten großen Kraftakte, um den Westflügel des Museums für Naturkunde Berlin für die anstehende Sanierung freizuräumen. Auf dem Weg zum offenen Forschungsmuseum der Zukunft werden bisher verschlossene Räume für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dafür mussten 7660 Felle aus einem Forschungs- und Sammlungssaal an einen neuen Ort im Museum umgelagert werden.

Wie bei jedem Umzug war Friese dafür verantwortlich, dass die empfindlichen Bestände, in diesem Fall aus der Teilsammlung der Säugetiere, keinen Schaden nehmen. Mit ihren Kolleg:innen aus dem Collection Management und einer Kunstspedition hat sie sich die sichersten Verpackungen und schonendsten Transporttechniken ausgedacht, die logistischen Prozesse geplant, begleitet und von Anfang bis Ende protokolliert. 

Registrar nennt sich dieser Aufgabenbereich an der Schnittstelle zu anderen Museen. "Es ist immer ein Balanceakt, einerseits möchten wir unsere Objekte möglichst vielen Leuten zeigen, gleichzeitig müssen wir sie bewahren und schützen", sagt Friese mit sanfter, fürsorglicher Stimme. 

Der ständige Leihverkehr hinter den Kulissen, den Museumsbesucher:innen oft gar nicht wahrnehmen, ist ein Grundpfeiler des Ausstellungswesens, der viele spannende Sonderschauen erst ermöglicht. Das Museum Frieder Burda in Baden-Baden etwa zeigte 2023 textile Kunstwerke gehäkelter Korallenriffe der Künstlerinnen Margaret und Christine Wertheim zusammen mit wertvollen Lehrmodellen der Glaskünstler Leopold und Rudolf Blaschka aus dem Archiv des Museums für Naturkunde Berlin. Die fein gearbeiteten, realitätsgetreuen Korallen aus Glas aus dem 19. Jahrhundert sind so fragil, dass man sie nicht anhauchen möchte. 

Friese tat alles dafür, dass sie unversehrt nach Baden-Baden kamen und wieder zurück. Sie legte die konservatorischen Bedingungen vertraglich fest, darunter die Luftfeuchtigkeit im Ausstellungsraum und die Lichtstärke. Eine Kunstspedition fertigte Spezialkartons an, in die sie die Glaskorallen einließen. Holzkisten mit Vibrationskontrolle schützten wiederum die Kartons. "Am Ende hat sich trotz aller Vorsicht eine alte Klebung zwischen einer Koralle und einem eingefügten Glaselement gelöst", sagt Friese bedauernd. Eine Glasrestauratorin konnte sie zum Glück wieder zusammenfügen, die Versicherung zahlte. 

Auch dem Berliner Humboldt Forum hat Friese 50 Objekte übergeben, sie waren in der Sonderausstellung "Unsterblich – Leben mit dem Tod" zu sehen. Allesamt waren es ausgestorbene oder vom Aussterben bedrohte Tiere – vom Rauchgrauen Flughund, der zum letzten Mal 1859 auf Mauritius gesichtet wurde, bis zur Kretischen Geisterlibelle, die stark gefährdet ist. "Gerade Insektenpräparate sind sehr empfindlich gegenüber Erschütterungen, da kann bei Unachtsamkeit schon mal ein Flügel oder ein Bein abfallen", sagt Friese. Wenn es sich um eine ausgestorbene Art handelt oder ein forschungsrelevantes Unikat, ist der Schaden unwiederbringlich. 

So bringt jedes Objekt eigene Anforderungen mit und erfordert individuelle Transportlösungen. "Die meisten unserer Leihgaben bleiben deswegen in Berlin oder innerhalb Deutschlands", sagt Friese. Dann und wann stehen aber auch Ferntransporte an. Vor 40 Jahren wurde gar der riesige Brachiosaurus nach Japan verschickt. 

Millionen Objekte müssen noch umziehen

Ursprünglich waren es vor allem alte Gebäude, die Meta Friese fasziniert haben. In Köln studierte sie Kunstgeschichte mit dem Schwerpunkt Architektur, schrieb ihre Doktorarbeit über eine romanische Kirche in Bonn-Schwarzrheindorf. Für zwei Jahre zog es sie als Volontärin in die Denkmalpflege, dann entschied sie sich für die Museumslauf bahn. Als Sammlungsmanagerin kümmerte sie sich um die fachgerechte Einbringung von textilen Beständen in ein neu gegründetes Privatmuseum in Mettingen in Westfalen, die Draiflessen Collection. Nach Berlin kam sie, weil ihr Mann, ebenfalls Kunsthistoriker, hier einen Job fand.

Am Deutschen Historischen Museum war sie zunächst in der Textilsammlung und als Registrar für Sonderausstellungen zuständig. Damals fragte sie einen Humboldt-Pinguin aus dem Museum für Naturkunde Berlin als Leihgabe an. 

Seit sie am Museum für Naturkunde Berlin ist, hat Friese vieles bewegt. Rund 600 Leihgaben wurden allein 2021 und 2022 auf die Reise geschickt. Dazu die Umzüge. Um den westlichen Flügel für die denkmalgerechte Bausanierung leer zu räumen, mussten neben der Fellsammlung sechs weitere Sammlungen weichen. Die Zahlen sind gut dokumentiert: 17.000 Insektenkästen, 170 Regalmeter mit fossilen Wirbeltier- und 200 einzelnen übergroßen Saurierknochen, 200 Laufmeter Schallplatten des Tierstimmenarchivs, 80.000 Bücher der Zoologischen Bibliothek, mehr als 2000 Schubladen mit versteinerten Pflanzen der Paläobotanischen Sammlung – um nur einige zu nennen. 

Die schiere Menge der Objekte und die begrenzten Flächen im historischen Museumsgebäude machen jeden Umzugsschritt zu einer logistischen Herausforderung. Allein für die Verlegung der Säugetierfelle im laufenden Museumsbetrieb waren zweieinhalb Monate nötig. Insgesamt dauerten die Umzüge ein halbes Jahr. 

Doch die eigentliche Arbeit kommt erst noch: Schon jetzt beginnen Meta Friese und ihre Kolleg:innen damit, den Umzug der Insektensammlung, der Bibliothek und anderer Teile der Sammlung nach Adlershof vorzubereiten, wo ein neues Sammlungszentrum gebaut wird. Dort sollen sie ab etwa 2029 nach neuesten Standards auf bewahrt und für die Forschung zugänglich gemacht werden. 

Friese sitzt auch in Baubesprechungen zur Invalidenstraße, um sicherzustellen, dass bei all dem Hin und Her keinem der Millionen Objekte etwas zustößt. "Wir heben immer die Hand und sagen ‚Achtung, unsere Sammlungsobjekte brauchen Schutz'", sagt Friese. "Ich fühle mich einfach verantwortlich für sie."

Text: Mirco Lomoth
Foto: Pablo Castagnola