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Astrid Faber: Die Vermittlerin

Astrid Gaber (c) Pablo Castagnola

Dieser Artikel erschien zuerst in unserem Journal für Natur (06/2022).

Die Natur geht uns alle an, davon ist Astrid Faber überzeugt. Die Biologin setzt sich dafür ein, dass so viele Menschen wie möglich vom Wissen und von der Sammlung des Museums für Naturkunde Berlin profitieren. Mit ihrem Team erreicht sie jährlich um die 60.000 Kinder und Erwachsene.

Natur entdecken im nawi.club

Die Entdeckung der Natur ist an diesem Dienstagnachmittag wieder in vollem Gange. Im Mikroskopierzentrum des Museums für Naturkunde Berlin wuseln zehn Kinder zwischen Labortischen umher, legen Krebspanzer, Korallen, behaarte Spinnen und zartgelbe Blütenblätter unter Objektive, schauen reihum durch Okulare und schmieden Pläne für ihre digitalen "Forschungsprojekte". Eine Mädchengruppe plant einen Trickfilm, in dem sie das Wachstum einer Blume mit Knetmasse nachstellen will. Auch Samen soll ihre Knetblume produzieren, neues Leben. Ein paar Jungs arbeiten derweil an einer digitalen Rallye, bei der sich mit der App Actionbound spannende Objekte der Ausstellung entdecken lassen: der Zesel etwa, eine Mischung aus Zebra und Esel, oder die ausgestorbene Zebra-Unterart Quagga.

Die Kinder sind aus der nahen Gustav-Falke- Grundschule im Wedding hergekommen. Ein Schulhalbjahr lang nehmen sie am nawi.club des Museums für Naturkunde Berlin teil, einem Forscherclub für Schüler:innen, den das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Aktionsprogramm "Aufholen nach Corona" fördert. "Wir möchten ihnen nach der langen Coronazeit schöne Erlebnisse ermöglichen und einen Raum geben, um sich selbstbestimmt auszuprobieren", sagt Astrid Faber, die am Museum für Naturkunde Berlin den Bereich Bildung und Vermittlung leitet und damit verantwortlich dafür ist, dass so viele Menschen wie möglich vom naturkundlichen Wissen und der Sammlung des Museums profitieren. Sie spricht mit Bedacht und der Überzeugung, dass sie sich einer wichtigen gesellschaftlichen Aufgabe stellt.

Astrid Gaber (c) Pablo Castagnola

Wissenschaft ist für alle da

"Gerade in Zeiten von Wissenschaftsskeptizismus ist es unser Ziel, ein besseres Verständnis für die Wissenschaft zu fördern und ein Bewusstsein für den Schutz der biologischen Vielfalt", sagt sie. "Dafür fangen wir mit den Jüngsten an, die sich häufig stark für alles interessieren, was mit Natur zu tun hat." Bei ihr selbst sei das auch so gewesen. Als junges Mädchen habe sie sich am Stadtrand von Bonn durch die Wälder geschlagen und ein Naturschutzgebiet mit einem erloschenen Vulkan oberhalb des Rheins ausgekundschaftet. "Wir haben unsere Fantasie von der Natur anregen lassen", erinnert sie sich. Später haben sie die großen Zusammenhänge gepackt – wie der Mensch mit der Natur lebt und welche großen Theorien sich aus kleinsten Beobachtungen ableiten lassen.

Sie studierte Biologie und Psychologie und kam danach ans Museum für Naturkunde Berlin. "Ich habe als Praktikantin in der Museumspädagogik begonnen, seither hat mich das nicht mehr losgelassen", sagt sie. Es folgten Jahre als Museumsguide und in der Öffentlichkeitsarbeit. Sie schrieb einen Ausstellungsführer für Kinder und übernahm 2011 schließlich die Abteilung "Bildung und Vermittlung". Seither koordiniert sie alle Bildungsaktivitäten des Museums für Naturkunde Berlin und ein Team von zehn Mitarbeiter:innen und bis zu 30 Guides.

Bildungsangebote für alle Altersklassen

Faber liebt es, die Fäden zu ziehen, die zu einer guten Bildungsarbeit führen. Sie knüpft Kontakte zu Schulen, Kindertagesstätten, Universitäten, Forschungsinstituten und Volkshochschulen. Sie spricht mit Politiker:innen über die Bedeutung naturkundlicher Bildung außerhalb der Schule und wirbt Gelder ein, um die Angebote des Museums für Naturkunde breit zu fächern. "Wir haben um die 40 Formate für alle Altersklassen entwickelt, die wir anbieten können, von Mikroskopierkursen und thematischen Führungen im Museum und durch die Natur bis zu Workshops zur Evolution des Menschen", sagt Faber.

Insbesondere die Umweltbildung zur Stadtnatur will sie in den nächsten Jahren ausbauen. "Wir merken, dass viele Kinder kaum Naturerfahrungen haben und nur eine geringe Artenkenntnis, da wollen wir gegensteuern." Die Sechst- und Siebtklässler:innen des nawi.clubs etwa unternehmen auch Exkursionen in Parks und auf Friedhöfe. Ein ähnliches Programm gibt es für Kindergartenkinder. Sie lernen Tierstimmen kennen, basteln Tiermasken, bauen ein Insektenhotel und stromern durch die Stadtnatur. "Die Kinder lernen so, die Scheu vor Tieren und Insekten zu verlieren, auch wenn sie mit ihren Eltern vielleicht noch nie im Wald waren", sagt Faber. "Viele sind sehr stolz, wenn sie sich erst mal überwunden haben, einen Käfer auf die Hand zu nehmen."

Alle mitnehmen!

Kooperationen bestehen aktuell mit 19 Berliner Kitas. Damit ihre Mitarbeiter:innen immer auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand sind, organisiert Faber für sie regelmäßig Fortbildungen mit den Expert:innen des Museums. Dann berichtet etwa die Paläontologin Daniela Schwarz im Sauriersaal von neuesten Erkenntnissen aus der Dinosaurierforschung und beantwortet alle Fragen, mit denen die Guides sie löchern. "Wissen ist ständig im Fluss", sagt Faber. "Und das wollen wir auch so weitergeben."

Fragt man Astrid Faber, was ihr bei ihrer Arbeit am wichtigsten ist, dann antwortet sie, dass sie alle Menschen mitnehmen will. "Ich möchte auch solche Gruppen ansprechen, die wir bisher nicht im Museum sehen", sagt sie. "Wenn sie nicht zu uns kommen, versuche ich herauszufinden, woran das liegt und wie ich sie erreichen kann." Sie bietet Führungen für Menschen mit Demenzerkrankungen oder Sehbehinderungen an, Zeichenkurse für geflüchtete Kinder und Bildungsprogramme für deren Familien. Im Grunde betreibt sie mit ihrem Team eine umfassende Demokratisierung der Bildungsarbeit und forscht zu neuen Wegen der Vermittlung von Naturwissen.

Astrid Gaber (c) Pablo Castagnola

Im Dialog mit der Gesellschaft

Für Faber, die Vermittlerin, ist das Museum für Naturkunde Berlin auch eine lokale Bildungseinrichtung, die in die Stadt hineinwirkt und die sich mit dem geplanten Umbau in den nächsten Jahren zu einem Treffpunkt für die Nachbarschaft entwickeln muss. Zu einem Ort, an dem die Stadtgesellschaft miteinander und mit der Natur auf positive Weise in Berührung kommt. In Zeiten von Artensterben und Klimawandel muss sich Bildungsarbeit aber auch den unbequemen Wahrheiten stellen. Gerade Kinder und Jugendliche beschäftige der Zustand der Welt sehr, sie würden viele Fragen stellen, etwa zum Verschwinden von Arten oder zu Plastik im Meer.

Die Antworten darauf können wissenschaftlicher Art sein – oder auch künstlerischer. Jugendliche der Hagenbeck-Schule in Weißensee etwa haben sich in ausgestorbene Tiere der Ausstellung des Museums für Naturkunde Berlin hineinversetzt und mit einem Lyriker gemeinsam Gedichte zu ihnen verfasst, zum Beutelwolf etwa. Eines beginnt mit dem Vers: "Ich bin enttäuscht. Ihr Menschen, ihr Bastarde! Zerstört meine Insel, habt doch Gnade!" Und endet mit den Worten: "Doch der Glanz, den ich mal hatte, ist nicht mehr da."

Dass Bildungsarbeit globale Probleme lösen kann, glaubt Faber nicht: "Dafür braucht es die Politik." Aber sie könne einen Beitrag leisten und es mache schon einen großen Unterschied, wenn Menschen beginnen würden, ihre Lebensweise umzustellen oder sich vor ihrer Haustür dafür einsetzten, dass Grünflächen erhalten oder Gärten insektenfreundlich gestaltet werden. "Ich glaube, dass das Wissen und positive Erlebnisse mit Natur, die wir den Menschen vermitteln, dazu führen können, dass sie sich anders verhalten oder sogar für Natur engagieren."

Text: Mirco Lomoth
Fotos: Pablo Castagnola