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Was die Explosion übrig ließ

Ludwig Luthardt

Wo heute die Stadt Chemnitz ist, war früher ein Vulkan. Als er ausbrach, begrub er einen Wald unter sich. Ludwig Luthardt, Paläontologe am Museum, erforscht die versteinerten Hölzer – und kann so das Klima rekonstruieren.

Hinter der Stahltür eines alten Industriebaus öffnet sich eine riesige Halle voller Schränke, Vitrinen, Regalen. Darin lagern die geschätzt 300.000 Sammlungsobjekte der Paläobotanischen Sammlung. Ludwig Luthardt, seit 2021 Sammlungswissenschaftler am Museum für Naturkunde Berlin, bereitet uns einen herzlichen Empfang. Unsere Augen wandern sofort zu den großen Farnabdrücken in einer alten Schrankvitrine.

Luthardt erklärt, dass in diesen Schränken etwa 9.000 Typen und Originale liegen. Das sind die Fossilien, an denen entweder die Art beschrieben wurde (Typusexemplare) oder die in Publikationen durch Bilder belegt sind. Weil die Objekte so wichtig für die Forschung sind, sollen sie demnächst im Rahmen der Sammlungserschließung und -entwicklung des Zukunftsplanes digitalisiert werden. „Alle paläobotanischen Objekte umfänglich zu erschließen, d.h. zuinventarisieren und zu fotografieren, schaffen wir nicht im Rahmen des Zukunftsplanes des Museums. Also wählen wir die Teilsammlungen aus, die eine hohe Erschließungsebene brauchen, weil sie historisch wertvoll oder besonders forschungsrelevant sind“, so Luthardt. „Parallel dazu erfassen wir die anderen Sammlungsteile, entziffern unleserliche Etiketten und suchen in Inventarbüchern nach relevanten Informationen.“

Fotocollage Ludwig Luthardt

Für Luthardt haben die 291 Millionen Jahre alten versteinerten Hölzer aus Chemnitz Forschungsrelevanz. Er will mit den Digitalisaten wissenschaftlich arbeiten. Deshalb werden sie jetzt in einem schwarzen Zelt am Ende des Raumes digitalisiert. Scanoperatorin Margot Belot nimmt vorsichtig einen kleinen Farnsamer-Stamm aus dem Sammlungskasten.

Zuerst wird ein sogenanntes Nuri-Etikett vergeben, das ist die digitale Erkennungsmarke. Mittels Barcode-Scanner erscheint das Objekt in der Datenbank. Dann wird das Stämmchen noch fotografiert. Zuerst die angeschliffene Fläche, indem das Objekt zusammen mit einer Skala auf eine Glasplatte gesetzt wird, unter der eine Kamera montiert ist. Um die Länge des Stämmchens zu dokumentieren, wird es noch in ein Sandbad gesetzt und nebst Skala von der Seite fotografiert. Wenn alle Qualitätsstandards eingehalten sind, kommt das Datenpaket ins Datenportal. Die Hölzer werden in ein paar Monaten im Datenportal weltweit zur Verfügung stehen. Und Luthardt kann hoffentlich seine Forschungsfragen lösen.

Wo heute die Stadt Chemnitz ist, war früher ein Vulkan, der beim Ausbruch einen ganzen Wald unter sich begrub. Im Laufe der Jahrmillionen ersetzte Kieselsäure das organische Material. Die Hölzer versteinerten. Aber nicht nur sie, sondern ein ganzes Ökosystem wurde konserviert. Luthardt ist nicht der erste Paläontologe, der daran forscht. Schon vor 200 Jahren beschrieb Bernhard von Cotta fossile Pflanzen. Doch die Wissenschaft entwickelte sich weiter und taxonomische Revisionen werden notwendig. Weil die Fossilien dreidimensional erhalten sind, kann Ludwig auch ganze Pflanzen rekonstruieren, von der Wurzel bis zur Blattspitze. Im Mikroskop sind die verkieselten Holzgefäße ganz genau zu sehen. Daraus kann ein Forschender ableiten, wie viel Wasser die Pflanzen verdunsteten - und daraus wiederum, wie viel CO2 in der Atmosphäre war.

Durch die Untersuchung der versteinerten Pflanzen kann also das Klima vor rund 290 Millionen Jahren rekonstruiert werden. Diese wichtige Forschungsfrage ist eine Triebfeder der Sammlungserschließung. Es kommt noch viel Arbeit auf das Team zu, aber hier spürt man Tatendrang und Begeisterung. „Mir geht es darum, dass die Leute verstehen, wie die Zusammenhänge auf der Erde funktionieren, welche Kontrollmechanismen die Erde hat und wie sie gegensteuern kann. Das lernt man nicht in der Schule, das müssen wir Forschende unseren Mitmenschen erklären.“