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Wohltäter

Fliegen als Chirurgen, Blutegel am Bein oder Wurmeier statt Tabletten – klingt eklig, aber für manche Patienten ist das ein kleines Übel im Vergleich zur Wirkung. Parasiten sind nicht nur Krankheitsüberträger, sondern können auch als „Wohltäter“ auftreten. Hier unsere drei Lieblingsgeschichten.

 

Fliegenmaden als Biochirurgen

Der Einsatz steriler Fliegenmaden als „medizinisches Hilfspersonal“ gegen multiresistente Keime hat manchen Patienten vor einer Beinamputation bewahrt. Schonend entfernen die Maden totes Gewebe aus der Wunde. Kein Chirurg kann mit dem Skalpell so sauber zwischen gesundem und abgestorbenem Gewebe trennen. Sie geben eine heilsame, die Wundheilung anregende Mixtur aus Verdauungsenzymen und entzündungshemmenden Stoffen ab. Der Einsatz von blickdichten Beuteln erspart Patienten den Anblick der Maden. Wenn diese sicher sind, dass keine Gefahr besteht und die Tierchen nicht von ihrem „Arbeitsplatz“ flüchten können, akzeptieren sie die Therapie besser.

Die Methode ist übrigens nicht neu, seit Jahrtausenden ist dem Ngemba-Stamm der Aborigines die Wundbehandlung mit Fliegenmaden bekannt. Auch die Maya praktizierten sie. Im amerikanischen Bürgerkrieg wurden Fliegenmaden gezielt zur Wundbehandlung eingesetzt und noch im Ersten Weltkrieg zur Reinigung von Wunden genutzt. Seit Antibiotika-Resistenzen auf dem Vormarsch sind, steigt die Zahl der Patienten mit nicht beherrschbaren, chronischen, nicht heilenden Wunden stetig an, und so wagen manche Ärzte, alte Wege neu zu erproben.

 

Blutegel –geschätzte Blutsauger

Das Geheimnis des Medizinischen Blutegels für die Medizin liegt in seinem Speichelsekret, das viele hochwirksame Komponenten enthält. Dieser Speichel erweitert die Gefäße und hemmt die Blutgerinnung. So können Egel Blut saugen, ohne sich den Schlund zu verstopfen. Durch die schmerz- und entzündungshemmende Wirkung merkt der Wirt meist nichts von seiner unfreiwilligen Blutspende. Die Anwendungsgebiete für Blutegel sind vielfältig. Verhinderung von Blutstauungen, Verbesserung des Blutflusses und Wundheilung sind die häufigsten. Blutegel dürfen nach Gebrauch nicht wiederverwendet werden, vor allem, um HIV-Infektionen zu verhindern.

 

Neue Wege – Würmer auf Rezept

Chronische Darmentzündungen beruhen auf einer Fehlregulation des Immunsystems. Können Würmer hier helfen? Auf eine Infektion mit Würmern reagiert das Immunsystem des Wirtes mit einer Kaskade von Abwehrmechanismen. Will der Wurm überleben, muss er sich wehren. Deshalb greifen Würmer erheblich in die Immunantwort ihrer Wirte ein. Sie regulieren die Entzündungsreaktionen des Wirtes herunter und setzen das Immunsystem sozusagen außer Gefecht. Wie sie das genau machen ist noch längst nicht entschlüsselt, wird aber intensiv erforscht. Doch schon heute nutzt man diese Fähigkeit der Würmer und setzt sie in der Medizin gegen chronische Darmentzündungen ein.
In der Therapie schluckt der Patient regelmäßig eine bestimmte Anzahl Wurmeier. Die geschlüpften Larven bewirken die gewünschte Entzündungshemmung, sterben aber nach kurzer Zeit ab. Diese Therapie wird erfolgreich in den USA und Europa getestet.

 

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