Dieser Artikel erschien zuerst in unserem Journal für Natur (Ausgabe 4/2021).
Modernste Computertomografie macht es möglich: Mit dem neuen CT-Scanner können Forschende ins Innerste der Tiere sehen – ohne dabei feines Gewebe zu zerstören.
Kristin Mahlow, CT-Technikerin, betritt den acht mal acht Meter großen "Kubix", einen Container mit ungewöhnlichem Inhalt: Hier steht der 30 Tonnen schwere CT-Scanner FF85 von YXLON. Er wurde für das Museum extra angefertigt und dient dazu, die Sammlungen zu digitalisieren. Dieses Herzstück der Anlage kann Objekte bis 90 Zentimeter Größe scannen: Antilopen- und Gorillaschädel, die im Rahmen des Umzugs der Schädelsammlung digitalisiert werden; in Alkohol eingelegte Präparate, die quasi mit Haut und Haar zerstörungsfrei durchleuchtet werden können, oder auch Fossilien. Das CT wird von nationalen und internationalen Partnern gerade in Pandemiezeiten stark nachgefragt, denn so können die digitalen Objekte weltweit für die Forschung zugänglich gemacht werden, ohne dass Forschende in Bahn oder Flieger steigen müssen. Mahlow wird in den nächsten Jahren noch oft in den Kubix gehen, denn die Digitalisierung der Sammlungen ist Teil des Zukunftsplans des Museums.
Ihre Favoriten sind Schlangen. Seit zwei Jahren arbeitet sie an ihrer Doktorarbeit. Bothrops jararaca ist eine brasilianische Giftschlangenart, eine Grubenotter, die für fast 90 Prozent der Bissunfälle in den Städten der Ostküste Brasiliens verantwortlich ist. Diese Schlangenart macht während ihres Lebens einen Nahrungswechsel durch: Junge Tiere fressen Amphibien, Reptilien und Insekten; erwachsene Tiere fressen kleine Säugetiere. Das Gift der Jungtiere ist daher anders zusammengesetzt als das der Erwachsenen. Dies ist für die Entwicklung von Antiseren bedeutsam und wurde erst kürzlich von Forschenden herausgefunden.
In einem Forschungsprojekt in Zusammenarbeit mit der Universität in São Paulo geht es um die morphologische Analyse der Giftdrüsen: Wenn sich das Gift verändert – was ändert sich im Schädel und im Giftapparat der Schlange? Oder ändert sich überhaupt etwas? Um dies zu erforschen, müssen Tiere aller Altersklassen auf ihre Knochenstruktur hin untersucht werden. Dafür fertigt Kristin zuerst einen Standardscan an. Anschließend werden die Exemplare mit einer Iod-Färbelösung behandelt, welche das Weichgewebe des Kopfes sichtbar macht, wie die Kiefermuskeln, das Gehirn oder die Giftdrüse. Für diese Scans wird der hochauflösende CT-Scanner benötigt. Dabei kann eine Auflösung weit unterhalb der Dicke eines menschlichen Haares erreicht werden.
Und was zeigen nun die Schlangenscans? "Der Aufbau der Drüsen ist bei jungen Tieren anders als bei erwachsenen Tieren", sagt Kristin. "Die Drüsenzellen verändern ihre relative Größe und Lage und strukturieren sich anders." Wie und warum das passiert, ist einer der Forschungsaspekte ihrer Doktorarbeit.
Text: Gesine Steiner
Fotos: Pablo Castagnola