Direkt zum Inhalt

Die Artentdeckungsfabrik

Forschende am DiversityScanner des Zentrums für Integrative Biodiversitätsentdeckung

Uns läuft die Zeit davon. Während Sie diesen Text lesen, sterben Tier- und Pflanzenarten aus, die noch völlig unbekannt sind und niemals wissenschaftlich beschrieben wurden, weil wir die Umwelt verschmutzen, das Klima verändern und Lebensräume von Mitwohnenden dieser Erde zerstören. Welch einen Schatz des Lebens vernichten wir, der sogenannte weise Mensch, der Homo sapiens, da unwiederbringlich! Das trifft besondere die Tiergruppe mit den meisten Arten, die Insekten. Für tropische Länder, wo die Vielfalt am größten ist, fehlen die meisten Informationen. Das kann und wird die "Artentdeckungsfabrik" des Museums für Naturkunde ändern.

Die Bestimmung kleinerer Tiere ist oft schwierig und es braucht Jahre, um Expert:in zum Beispiel einer Insektengruppe zu werden. Doch nun gibt es eine revolutionäre technische Lösung, um diese Vielfalt des Lebens kennenzulernen. Bislang war es technisch nicht möglich, dass Maschinen zu Expert:innen werden.  Doch genau dies gelang und wird seit einigen Monaten am Museum für Naturkunde Berlin praktiziert.

Das Zentrum für Integrative Biodiversitätsentdeckung unter der Leitung von Prof. Dr. Rudolf Meier nutzt den DiversityScanner – einen "Vielfaltsscanner", der am Karlsruher Institut für Technologie KIT entwickelt und nun in einem Kooperationsprojekt mit Prof. Rudolf Meier angewendet wird. Er kann sogar komplexe Proben analysieren. Zum Beispiel bei Monitoring- und Forschungsprojekten werden oft Insektenproben gewonnen, die aus Tausenden unterschiedlicher Tiere bestehen und zur Lagerung dann in Alkohol konserviert sind.

Diese Proben können jetzt, und das ist das technisch geniale, einfach in den Scanner gefüllt werden. Zwei Kameras analysieren die Probe und fotografieren jedes Tier. Eine Software vergleicht die optischen Merkmale der einzelnen Tiere, erkennt typische Muster und ordnet die Fotos der Tiere zu Gruppen. Diese Gruppierung entspricht den zoologischen Taxa, also der systematischen Einordnung der Tiere.

Die Maschine sortiert die Tiere dann einzeln und vollautomatisch in kleine Probekammern. So entstehen genormte Probengefäße, die jeweils 96 Insekten enthaltenen. Das Erbgut dieser Tiere, ihre DNA, kann extrahiert und mit bekannten DNA-Sequenzen aus Datenbanken abgeglichen werden. So kann bestimmt werden, um welche Tiere genau es sich handelt – und die Geheimnisse gelüftet werden, die in ihrem Erbgut schlummern.

Durch stetige Optimierungen konnten die Forschenden die Kosten für solche Bestimmungen auf wenige Cent je Probe verringern. Das gilt auch für den Materialverbraucht. Beim Arbeiten mit DNA werden häufig sterile Einwegmaterialien eingesetzt, um eine Verunreinigung einer Probe zu verhindern. Auch deren Einsatz wurde auf ein Minimum reduziert, um möglichst ressourcenschonend zu arbeiten.

Auf diese Weise können nun innerhalb von einer Woche gleich mehrere Tausend Tiere zugeordnet werden. Die Entdeckung der biologischen Vielfalt läuft auf Hochtouren – die Artentdeckungsfabrik am Museum für Naturkunde Berlin macht's möglich.

Dieser Text ist Teil der Aktion "Vielfalt erhalten!" zum Weltnaturgipfel 2022 in Montreal.

Text: Mathias Zilch, Dr. Gesine Steiner
Foto: Hwa Ja Götz