Die Wissenschaftler*innen am Museum für Naturkunde Berlin beschäftigen sich mit seltsamen Dingen. So auch Dr. Katharina von Oheimb und Dr. Parm von Oheimb, die sich neben ihrer Forschung mit den wundersamen und bizarren Aspekten der Natur auseinandersetzen. Vorhang auf für unser erstes Feature: Das Schemenkabinett.
Wir haben Katharina und Parm bei der Konzeption unserer kommenden Show Schleimig! kennengelernt, denn die beiden forschen am Museum für Naturkunde an den Stars unserer Show: Den Weichtieren (Mollusken), zu denen u. a. Schnecken, Muscheln und Tintenfische gehören. Ganz nebenbei erzählte uns das Forscher*innenpaar, dass es selbst einen Blog betreibt – da konnten wir uns die Gelegenheit zu einem Feature nicht entgehen lassen.
David: Was hat es mit dem Schemenkabinett auf sich?
Katharina: Als Biolog*innen erforschen wir die Vielfalt des Lebens. Uns begeistert das Einzigartige und Ungewöhnliche, aber auch das Skurrile und Morbide. Ebenso interessiert uns die Kulturgeschichte der Tiere und Pflanzen. Das Schemenkabinett bildet eine Plattform, um diese Faszination zu teilen und um Geschichten zu erzählen. Zum Beispiel über die befremdliche Schönheit konservierter Tierkörper, die wissenschaftlichen Hintergründe alter Legenden und die Geheimnisse historischer Sammlungen. In den vergangenen Jahren haben wir mit dem Schemenkabinett unter anderem Vorträge gehalten und eine Ausstellung in Leipzig organisiert. Diese beschäftigte sich mit Tieren, die mit Tod und Jenseits in Verbindung gebracht werden und den biologischen Hintergründen dieser Vorstellungen. Unser Blog betreiben wir seit dem Jahr 2012.
David: Also bereits 8 Jahre, wow! Gibt es Blogbeiträge, die euch in besonderer Erinnerung geblieben sind?
Katharina: Ja, beispielsweise unser Beitrag über „Schaurige Schnecken“, der diese Weichtiere von Seiten zeigt, die man eher nicht mit ihnen verbindet. Längst nicht alle Schnecken fressen nämlich Pflanzen; einige sind Fleischfresser und jagen aktiv Beute, andere sind sogar Blutsauger. Und von leuchtenden Schnecken haben sicher auch noch nicht viele gehört.
Oder unser Artikel über die Londoner Crystal Palace Dinosaurs. Sie stammen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts und waren die ersten lebensgroßen Statuen prähistorischer Tiere überhaupt. Nach heutigem Wissen sehen sie jedoch alles andere als realistisch aus. Einige von ihnen ähneln riesigen Leguanen oder Fröschen. Als wir den Artikel geschrieben haben, lebten wir in London und konnten mitverfolgen, wie die Statuen restauriert wurden, um dieses Stück Wissenschaftsgeschichte für die Nachwelt zu erhalten.
Parm: Einer meiner Lieblingsartikel beleuchtet das seltene Phänomen der Rattenkönige. Das sind Gruppen von Ratten, deren Schwänze so miteinander verknotet sind, dass sie sich nicht mehr voneinander trennen können. Kein Wunder, dass so etwas Anlass bot, um Legenden zu spinnen. Und obwohl die Wissenschaft Erklärungsansätze für die Entstehung von Rattenkönigen bietet, geben die Funde auch heute noch Rätsel auf.
Ein anderer Beitrag, zu dem wir eine besondere Beziehung haben, handelt von den heute fast ausgestorbenen Jangtse-Riesenweichschildkröten. Nach einer Forschungsreise hatten wir die Gelegenheit, den Hoan-Kiem-See in Vietnams Hauptstadt Hanoi zu besuchen, in dem diese Tiere einst lebten und als heilig verehrt wurden. Mittlerweile sind die letzten Exemplare im See jedoch verstorben und dort in einem Tempel ausgestellt. Präparatoren des Museums für Naturkunde waren übrigens an der Konservierung des zuletzt verstorbenen Tieres beteiligt. Es war für uns ein bewegender Moment vor den Präparaten dieser fast erloschenen Schildkrötenart zu stehen.
David: Ihr betreibt Feldforschung in Vietnam?
Parm: Ja, dort liegt unser derzeitiger Forschungsschwerpunkt. Nachdem wir beide zuvor für vier Jahre am Natural History Museum in London gearbeitet hatten, sind wir im vergangenen Jahr ans Museum für Naturkunde gekommen. Wir beschäftigen uns hier unter anderem mit der Biodiversität und Evolution südostasiatischer Landschnecken, besonders aus den Karst-Landschaften Nordvietnams, die eine enorme Artenvielfalt hervorgebracht haben. Viele der dort lebenden Tiere sind der Wissenschaft noch völlig unbekannt. Während ein Großteil unserer Arbeit an Museumssammlungen erfolgt, hatten wir im vergangenen Jahr die Möglichkeit, auch selbst zur Feldforschung nach Vietnam zu reisen.
David: Danke, Katharina und Parm, für das spannende Gespräch!