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Gemeinsam gegen Plastikmüll in Ghana

Fischer an einem Strand an der Atlantikküste Ghanas, davor zu sehen viel Plastikmüll im Sand.

Überwachen, aufklären, motivieren: Wie das Museum für Naturkunde Berlin dem afrikanischen Land hilft, die Müllkrise zu bewältigen.

Wenn es noch einen Beweis braucht, dass das Museum für Naturkunde Berlin ein international agierendes Forschungsmuseum ist, dann ist er Mitte September 2023 auf einer Brücke in Ghanas Hauptstadt Accra leicht erbracht. Dort stehen die Museumsmitarbeiterinnen Sabrina Kirschke und Lea Schmidtke intensiv im Gespräch mit interessierten Bürger:innen Accras. 

Sabrina Kirschke ist Politologin und leitet die sozialwissenschaftliche Begleitforschung im Projekt "Kommunales Monitoring von Plastik in den Süßwassersystemen Westafrikas", Lea Schmidtke ist Studentin und im Projekt für die Umsetzung von Interviews und Umfragen zuständig. Der Blick neben den beiden über die Brückenbrüstung in den Fluss Odaw ist allerdings weniger erfreulich. Im Wasser und am Ufer fallen vor allem große Mengen Plastik auf. Genau deswegen sind die beiden hier.

Die Republik Ghana befindet sich in einer Plastikmüllkrise, weil derzeit noch keine ausreichende Infrastruktur für Recycling und Bewirtschaftung von Plastikmüll existiert. Die Folge ist Plastikmüll in vielen Teilen der Stadt, mit Auswirkung auf Gesundheit und Umwelt. Die Regierung Ghanas hat dem Eintrag von Plastik in die Umwelt daher den Kampf angesagt. Das Projekt soll hier mithelfen. 

Durch das Erlernen von standardisierten Methoden der Plastikbeobachtung und -überwachung (Monitoring) sollen mittelfristig vermehrt Daten zum Aufkommen von Plastik in Flüssen gesammelt werden und damit auch das Bewusstsein der Bürger:innen und der Politik für das Umweltproblem Plastik sowie seine Ursachen und Konsequenzen gestärkt werden. Dies wiederum fördert, so die Annahme der Forscher:innen, die Bereitschaft, sich aktiv an bestehenden Plastiksammelaktionen zu beteiligen oder das Problem präventiv mit geeigneten politischen Maßnahmen anzugehen.

Sabrina Kirschke und Lea Schmidtke machen das aber nicht allein. Hinter dem durch das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) finanzierten Projekt steht ein internationales Konsortium aus drei Partnern. Neben dem Berliner Museum sind das die Universität Wageningen, welche die Projektleitung innehat, und das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Magdeburg. 

"Wir sind der sozialwissenschaftliche Partner in diesem Projekt, die anderen sind die Monitoringexperten", erläutert Sabrina Kirschke. "Die wissen, wie man Makroplastik und Mikroplastik in Flüssen und Seen messen kann. Wir tragen dazu bei, die lokale Bevölkerung für das Mitmachen zu gewinnen, und forschen daran, wie man solche bürgerwissenschaftlichen Projekte weiter optimieren kann."

Gemeinsam lernen: Niemand hat die Patentlösung

Die Arbeit auf der Brücke über die Odaw ist Teil zwei der Aufgabe, die Kirschke und Schmidtke in Accra umsetzen. Begonnen hat alles ein paar Tage früher mit einem Workshop für Interessierte aus verschiedenen Bereichen der Gesellschaft. Im Rahmen des Workshops fand ein intensiver Austausch über das Monitoring von Mikro- und Makroplastik in Fließgewässern statt. 

Wie kann die Menge Mikro- beziehungsweise Makroplastik gemessen werden, die von einem Fließgewässer transportiert wird? Welche Methoden, welche Ausstattung eignen sich für diese Messungen auch bei wenigen Ressourcen? Und für Kirschke und Schmidtke vor allem wichtig: Wie kann Citizen Science, also bürgerwissenschaftliches Engagement, hier nachhaltig und langfristig integriert werden? Es geht um gemeinsames Lernen. Niemand hat die Patentlösung. 

Gemeinsam wurde an den bestmöglichen Lösungen gearbeitet. Auf der Brücke über die Odaw wird das Erarbeitete nun ausprobiert. Für die beteiligten Lehrer:innen zeigt sich beispielsweise, dass es tatsächlich einfach und sicher ist, Flaschen und anderes Makroplastik mit Netzen aus dem fließenden Wasser zu bergen und daraus deren jeweilige Menge im Fluss abzuschätzen. "Sie möchten diese Methoden auch zukünftig mit ihren Schüler:innen umsetzen", stellt Lea Schmidtke erfreut fest. Und es gibt noch mehr Grund zur Freude. Beim Monitoring auf der Brücke kommen immer wieder neugierige Bürger:innenr vorbei und wollen wissen, was dort gerade passiert. 

Die beiden Museumsmitarbeiterinnen kommen mit vielen Menschen ins Gespräch, manchmal auch mit Händen und Füßen. Die Reaktionen darauf, was hier gemacht wird, sind ausgesprochen positiv. Die Menschen begrüßen es sehr, dass die hier eingesetzten Messmethoden von den Lehrer:innen in die Schulen weitergetragen werden sollen. 

Alle erhoffen sich vom Projekt eine Besserung der Situation, also zukünftig weniger Plastikabfall in ihrer Umwelt, eine Hoffnung, die auch Lea Schmidtke teilt, "denn schließlich kommt der Müll, der in Accra landet, auch aus Europa". Manch einer, Stichwort Bewusstseinsbildung, macht sich vielleicht zum ersten Mal im Leben Gedanken zum Problem Plastikmüll.

Text: Andreas Kunkel
Foto: Andrew Gemmell​, SLR Consulting