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Insektenhärchen und Saurierknochen in 3D

Dieser Artikel erschien zuerst in unserem Journal für Natur (Ausgabe 2/2020).

Von winzig klein bis riesengroß: Das Museum digitalisiert seine Objekte mit neuesten Methoden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt werden sie künftig am heimischen PC erforschen können.

Wie fein sind die Härchen von millimetergroßen Ameisen, Bienen oder Käfern? Oft dünner als jedes Haar eines Menschen, so viel steht fest. Deswegen sind derart feine Härchen und andere winzige Objekte aus der Insektensammlung des Museums schwer, dreidimensional, also in 3D, zu digitalisieren. Doch wie steht es um Schwanzwirbel von riesigen Dinosauriern wie dem Giraffatitan brancai? Die Größe und Struktur von Saurierknochen lassen sich schwer mit hauchdünnen Bienenflügeln vergleichen. Eine einzige Methode reicht daher nicht, um die Sammlung des Museums mit ihren 30 Millionen Objekten in die digitale Welt zu überführen.

"Wir konzentrieren uns zurzeit auf drei Techniken: die Computertomografie, bekannt aus der Medizin, den Strukturlichtscan und fotogrammetrische Verfahren", sagt Frederik Berger, wissenschaftlicher Leiter der Sammlungsdigitalisierung. Bei der Computertomografie gibt es detaillierte Einblicke ins Innere eines Objekts; die Daten enthalten jedoch keine Informationen über die Färbung der Objekte. Bei einem Strukturlichtscanner wirft ein bügeleisengroßes Gerät Licht auf die Knochen. Durch die aufgefangene Reflexion entsteht ein 3D-Abbild – das ist besonders für die Forschung an großen Fossilien oder an Huftierschädeln nützlich. Bei der Fotogrammetrie entsteht mit einer speziellen Software aus mehreren Fotos aus verschiedenen Aufnahmewinkeln zunächst eine Punktwolke. Daraus erzeugt die Software anschließend 3D-Geometrie. Reinzoomen, umdrehen, der Blick von oben oder unten: Das alles ist bei 3D-Objekten kein Problem.

Die Streifenwanze steht hochaufgelöst und digital für die Forschung bereit.

"Mit den aufwändigen 3D-Technologien erfassen wir nur die besonders wertvollen Objekte oder für Forschungsarbeit essenziellen Objekte", sagt Berger. Hierzu gehören die Typus-Exemplare: Das sind die Individuen, anhand derer die Art zum ersten Mal beschrieben wurde. Welches Verfahren das Digitalisierungsteam benutzt, hängt davon ab, welche Information der Forschende braucht und um welches Objekt es sich handelt.

Seit Kurzem besitzt das Museum den Darmstädter Insektenscanner Disc3D, entwickelt vom gemeinnützigen Verein DiNArDa e.V. Es ist der weltweit erste 3D-Scanner für Insekten aus Museumssammlungen. Dabei werden rund 25.000 Aufnahmen mit je 12 Megapixeln zu tiefenscharfen Bildern aus annähernd 400 Perspektiven rund um das Insekt zusammengefügt. Damit ist es dann möglich, noch so kleine Insekten sowie deren Flügel und Härchen dreidimensional abzubilden. Forschende aus aller Welt können so per Mausklick an hunderte Jahre alten Insekten in 3D arbeiten.

Disc3D: Der weltweit erste 3DInsektenscanner fügt Bilder aus fast 400 Perspektiven zusammen.

Im Mikro-ComputertomografieLabor (kurz Mikro-CT-Labor) des Museums werden biologische, paläontologische und geologische Objekte computertechnisch analysiert. Sowohl für die Forschung am Museum als auch für die Digitalisierung der wissenschaftlichen Sammlung ist das Labor eine zentrale Anlaufstelle. "Die extra für die Forschung gebauten Computertomografen sind sehr vielfältig einsetzbar. So können sowohl kleinste innere Strukturen wie die wenige Millimeter großen Gehörorgane von Insekten bis hin zu 40 Zentimeter große Huftierschädel bis auf den Mikrometer genau vermessen werden", sagt Kristin Mahlow, Technikerin im Computertomografielabor. Wie sieht es im Inneren eines urzeitlichen Knochens aus? Oder in einer seltenen Schlange aus der Nass-Sammlung? Die neuesten technischen Methoden ermöglichen einen Blick in die Objekte ohne jegliche Zerstörung.

Das Digitalisierungsteam am Museum digitalisiert in den kommenden Jahren alle 30 Millionen Sammlungsobjekte. Die 3D-Digitalisierung ist dabei nur ein Baustein der Digitalisierung am Museum. "Oft tippen wir analoge Textquellen wie die Sammlungsetiketten der Objekte per Hand ab", sagt Berger. "Auch das ist Digitalisierung."

Das Ziel all dieser Bemühungen ist es, dass Menschen – Forschende wie Laien – weltweit über ein Portal auf die Objekte der Forschungssammlung zugreifen können. Insekten oder Huftierschädel aus Megabytes erobern so vielleicht bald den heimischen Bildschirm.

Text: Carmen Schucker