Direkt zum Inhalt

Paradiesvögel schmücken sich erfolgreich mit fremden Federn

Anmeldung zum Presseverteiler

Bitte beachten Sie, dass nur Personen, die sich über unser Anmeldeformular eintragen, Pressemitteilungen von uns erhalten.

Illustration mit blauen Hintergrund und zwei Paradiesvögeln
Pressemitteilung,

Nicht alles, was sich paart, gehört zu einer Art

Dank ihres farbenfrohen Federkleids und ihrer rhythmischen Sprünge sind Paradiesvögel die Stars von Naturdokumentationen und Social-Media-Feeds. Seit Jahrhunderten sind sie obendrein Teil naturkundlicher Sammlungen. Lange stellten jedoch etwa männliche Exemplare, deren Brustfedern zu einer Art und deren Schwanzfedern wiederum zu einer anderen Art passen, die Wissenschaft vor Rätsel. Ein internationales Team unter Leitung des Schwedischen Naturkundemuseums und des Museums für Naturkunde Berlin hat nun die Genome fast aller Arten der Paradiesvogelfamilie anhand historischer und moderner Exemplare verglichen, um die evolutionären Folgen solcher Hybride näher zu erforschen.

Um Weibchen anzulocken, haben die Männchen vieler Arten außergewöhnliche Verhaltensweisen und ein mitunter ebenso außergewöhnliches Aussehen entwickelt. Im Falle der Paradiesvögel versuchen die Männchen, die Weibchen mit Tanzvorführungen zu beeindrucken. Die Weibchen wählen anschließend das Männchen aus, das für sie am attraktivsten ist. Sie können hierbei sehr wählerisch sein ("female preference"). Diese Form der sexuellen Selektion kann die Entwicklung extravaganter männlicher Merkmale vorantreiben und sogar zur Bildung neuer Arten führen. Das ist etwa dann möglich, wenn die "female preference" zwischen unterschiedlichen Populationen einer Art zu variieren beginnt. 

Daneben verhindert sexuelle Selektion üblicherweise, dass sich Weibchen einer Art mit Männchen einer anderen Art oder Population paaren ("Hybridisierung"). In seltenen Fällen beobachten wir in der Natur jedoch Individuen, die eine ungewöhnliche Kombination von Merkmalen verschiedener Arten aufweisen – sogenannte Hybriden. Bei den Paradiesvögeln weisen einige dieser Hybride interessanterweise Merkmale auf, die nur bei solchen Arten zu finden sind, bei denen sich die Vorlieben der Weibchen radikal voneinander unterscheiden.

Ein internationales Team unter Leitung von Dr. Mozes Blom, Museum für Naturkunde Berlin, und Dr. Martin Irestedt, Schwedisches Naturkundemuseum in Stockholm, hat dieses Phänomen der Hybridisierung näher untersucht. Ihre Ergebnisse haben die Forschenden in zwei internationalen wissenschaftlichen Fachzeitschriften veröffentlicht – mit einigen überraschenden Erkenntnissen.

Zunächst zeigten sie im Open-Access-Journal Evolution Letters, dass die oben genannten Männchen mit seltsamem Erscheinungsbild tatsächlich das Ergebnis einer Hybridisierung zwischen völlig unterschiedlich aussehenden Arten sind. Diese vom gemeinsamen Doktoranden Filip Thörn geleitete Studie stellte fest, dass es hierbei nicht nur Hybriden zwischen verschiedenen Arten gibt, sondern dass einige Hybriden überraschenderweise auch das Ergebnis mehrerer Runden von Rückkreuzungen zwischen Arten sind. Dies deutet darauf hin, dass hybride Individuen nicht zwingend unfruchtbar sein müssen, wie dies beispielsweise bei der Kreuzung eines Esels und eines Pferdes ("Maultier") der Fall ist.

Tatsächlich zeigten die Forschenden mit ihrer zweiten Studie, die im Open-Access-Journal iScience veröffentlicht wurde, dass die Hybridisierung zwischen verschiedenen Arten ein wiederkehrender Prozess in der Evolutionsgeschichte der Familie der Paradiesvögel war. Die Forschenden fanden wiederholt genetisches Material einer Art im Genom einer anderen. Das lässt darauf schließen, dass Nachkommen von Hybriden sich fortpflanzen konnten und infolgedessen genetisches Material zwischen verschiedenen Arten übertragen wurde.

"Unsere beiden Studien werfen neues Licht auf die evolutionären Konsequenzen der Hybridisierung in Organismengruppen mit starken Formen der sexuellen Selektion", erklärt Dr. Mozes Blom. "Wir bestätigen, dass es tatsächlich möglich ist, fruchtbare Nachkommen zwischen Arten zu zeugen, bei denen sich die Männchen so radikal in jenen Merkmalen unterscheiden, die ein Schlüsselindikator für die Präferenz der Weibchen sind. Es gibt immer mehr Studien, die darauf hinweisen, dass Hybridisierung zu Diversifizierung des äußeren Erscheinungsbilds führen kann. 

Unsere Ergebnisse legen obendrein nahe, dass dies auch für Arten mit extremen Formen der sexuellen Selektion zutreffen könnte. Es bleiben jedoch viele Fragen offen, insbesondere hinsichtlich der Funktion von Genen, die zwischen verschiedenen Arten geteilt werden, und warum Weibchen überhaupt gelegentlich 'Fehler' machen und sich mit einem Männchen paaren, das ganz offensichtlich nicht ihrer eigenen Art angehört."

Publikationen

Filip Thörn, André E R Soares, Ingo A Müller, Martin Päckert, Sylke Frahnert, Hein van Grouw, Pepijn Kamminga, Valentina Peona, Alexander Suh, Mozes P K Blom, Martin Irestedt, Contemporary intergeneric hybridization and backcrossing among birds-of-paradise, Evolution Letters, 2024. DOI: https://doi.org/10.1093/evlett/qrae023

Mozes P K Blom, Valentina Peona, Stefan Prost, Knud A Jønsson, Alexander Suh, Martin Irestedt, Hybridization in birds-of-Paradise: Widespread ancestral gene flow despite strong sexual selection in a lek-mating system, iScience, 2024. 
DOI: https://doi.org/10.1016/j.isci.2024.110300

Illustration mit blauen Hintergrund und zwei Paradiesvögeln Illustration zweier Raggiparadiesvögel © Szabolcs Kókay
Illustration zweier Blaunacken-Paradiesvögel in der Natur Illustration zweier Blaunacken-Paradiesvögel in der Natur © Szabolcs Kókay
Illustration einer Stephanie-Paradieselster auf grauem Hintergrund Illustration einer Stephanie-Paradieselster © Szabolcs Kókay
Balg eines Paradiesvogels aus der Vogelsammlung Balg eines Paradiesvogels aus der Vogelsammlung © Carola Radke
Foto der Ausstellung ZUGvögel mit mehreren Personen an diversen Vitrinen Paradiesvögel in der Sonderausstellung ZUGvögel © Thomas Rosenthal

Schlagworte