Es gab sie doch! Spurensuche am Museum
Wer die Säugetiersammlung im Museum für Naturkunde besucht, begegnet auf den Fluren dem Präparat eines Moschusochsens, dahinter an der Wand eine Vergrößerung dieser historischen Fotografie. Wer sind die beiden lächelnden Frauen, die sich auf dem Tier sitzend mit präparierten Brillenbären im Arm ablichten ließen?
Damit beginnt die Spurensuche nach den Frauen, die für das Museum für Naturkunde seit seinen Anfängen im 19. Jahrhundert tätig waren, sei es in der Forschung, Sammlung, Ausstellung oder Verwaltung. Denn im Vergleich zu den zahlreichen Männern, die als Forscher, Sammler oder Mäzene mit Statuen, Büsten, Ölgemälden oder auf Plaketten am Bau und in der Ausstellung gewürdigt werden, findet sich kaum ein Hinweis auf die Aktivitäten von Frauen im Museum oder in der Naturkunde allgemein.
Gerade in den letzten Jahren haben Studien zu Frauen in der Naturgeschichte als eine nach wie vor unterrepräsentierte und marginalisierte Gruppe zugenommen. Diese Forschung bietet neue Einblicke in die Wissenschaftsgeschichte sowie in die Geschichte einzelner Einrichtungen und Sammlungen. Dabei wird zum einen das Naturkundemuseum als ein Ort untersucht, in dem gesellschaftliche Vorstellungen von Geschlechterordnungen reproduziert und gefestigt werden. Zum anderen werden Beiträge einzelner Frauen zur Wissenschaft hervorgehoben, die lange Zeit in der als Männerdomäne definierten Naturkunde ignoriert wurden.
Daran knüpft die 2024 gegründeten Arbeitsgruppe FIND – Frauen in der Naturkunde an, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Repräsentation von Geschlecht (Gender) im Museum kritisch zu hinterfragen und die Geschichte(n) von Frauen, die mit dem Museum für Naturkunde verbunden waren, auszugraben und sichtbar zu dokumentieren. Dabei geht es sowohl um öffentlich bekannte Frauen wie die Biologin und Wissenschaftshistorikerin Ilse Jahn (1922 – 2010), als auch um die vielen unsichtbar gebliebenen Forscherinnen, Hilfsarbeiterinnen, Sammlungspflegerinnen, wissenschaftliche Illustratorinnen, Präparatorinnen, Bibliothekarinnen, Archivarinnen oder Fotografinnen.
Wir haben bereits mehr als 100 Frauen identifiziert, die mit dem Museum in Verbindung standen. Inzwischen wissen wir auch, dass rechts auf der Fotografie Elsbeth Mundt (1892 – 1938), Zeichnerin und erste technische Mitarbeiterin der Säugetiersammlung, zu sehen ist. Bei der Frau links ihr handelt es sich vermutlich um Else Blum (1894, ermordet in Auschwitz 1943). Über ihre Tätigkeit am Museum ist noch fast nichts bekannt.
Die Arbeitsgruppe veranstaltet Vorträge und Workshops (siehe Aktivitäten). Sie trifft sich in unregelmäßigen Abständen und steht allen interessierten Kolleg*innen sowie Externen offen.
FIND ist Gründungsmitglied des internationalen Netzwerks WOMNH – Women in Natural History Museums and Collections.
Abbildung: Zwei Mitarbeiterinnen der Säugetierabteilung des Museums posieren auf einem präparierten Moschusochsen, unbekannter Fotograf, ca. 1910, Schwarzweißfotografie, MfN, HBSB ZM B II / 440
Ein Text von Sabine von Mering über das obige Bild aus dem Archiv des Museum für Naturkunde Berlin erscheint demnächst in der Ausgabe #3 von »Bilder der Natur«.
Aktivitäten
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31. August 2025:
Dr. Sabine von Mering und Sophia Gräfe, Podcastfolge zur Arbeit von »FIND – Frauen in der Naturkunde«, Podcast Beats & Bones des Museum für Naturkunde Berlin - 08. Juli 2025:
„Women Botanists Hidden in Male-Dominated Networks: A Spotlight on the Silesian Botanist Käthe Hoffmann (1883–1960)“
Dr. Sabine von Mering (Museum für Naturkunde Berlin), Vortrag in der WOMNH-Session „Paper, Pens and Specimens: Using Archival Media to Reclaim the Agency of Women in Natural History“ bei der Jahrestagung der British Society for the History of Sciene in Cambridge - 11. Juni 2025:
„Secret Service: Frauen. Forschung. Senckenberg - Geschichten aus dem Archiv“
Dr. Luisa Kapp (Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt), Gastvortrag zum BMBF-Projekt „Secret Service: Frauen. Forschung. Senckenberg“ - 05. April 2025:
„Von Acourtia bis Zuckia – Nach Frauen benannte Pflanzengattungen.“ Das Women Genera Project oder Wie wir gemeinsam ein dynamisches Wikidata-Set geschaffen haben“
Dr. Sabine von Mering (Museum für Naturkunde Berlin), eingeladener Keynote-Vortrag während der FemNetzCon 2025 in Neu-Ulm - 05. April 2025:
„Hidden Figures in Wikidata sichtbar machen“
Dr. Sabine von Mering (Museum für Naturkunde Berlin), Wikidata-Workshop während der FemNetzCon 2025 in Neu-Ulm - 10. März 2025:
1st WOMNH Seminar ‘Tracing Sarah Mary Fitton (1795-1874)’
Prof. Marie Mianowski (Grenoble Alpes University) präsentiert ihre Forschung, als Respondent kommentiert Dr. Nessa Cronin (University of Galway). - 05. März 2025:
„Unsichtbar – vergessen – wiederentdeckt. Frauen in naturkundlichen Museen und Sammlungen“
Dr. Sabine von Mering (Museum für Naturkunde Berlin), eingeladener Vortrag am Naturhistorischen Museum Wien - 27. Januar 2025:
„13 Frauen – Aus der Geschichte des NHM Wien“
Dr. Stefanie Jovanovic-Kruspel (Naturhistorisches Museum Wien), Präsentation des Buchprojektes vom NHM Wien am Museum für Naturkunde Berlin -
10./11. Dezember 2024:
Workshop ‘Tell me where the women are’
WOMNH Network Launching Event (ko-organisiert von FIND) - Wintersemester 2024/25:
Seminar „Frauen in der Naturkunde – Bildgeschichten aus dem Museumsarchiv“
Sophia Gräfe, HU Berlin und Gastwissenschaftlerin am MfN Berlin, mit Gast-Seminaren von Dr. Sabine von Mering (Museum für Naturkunde Berlin) und Dr. Stefanie Jovanovic-Kruspel (Naturhistorisches Museum Wien)