Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste hat 2024 das Kurzzeitprojekt „Menschliche Überreste im Museum für Naturkunde“ gefördert, das sich mit der Recherche der kolonialen Provenienz menschlicher Überreste im MfN beschäftigt. Nach Abschluss des Projekts (Dezember 2024) wird der Projektbericht auf dieser Seite und in der Proveana-Datenbank online verfügbar sein.
In den letzten Jahren hat das Center for Humanities of Nature (MfN) im Rahmen verschiedener Forschungsprojekte die Geschichte der kolonialen Sammlungen des MfN aufgearbeitet. In jüngster Zeit wurden im Anschluss an den öffentlichen Bericht „We Want Them Back“ bisher nicht erforschte menschliche Überreste aus dem kolonialen Kontext identifiziert. Im Mittelpunkt des Projekts zur kolonialen Provenienz standen drei menschliche Schädel aus kolonialen Kontexten:
In der paläontologischen Sammlung befindet sich der Schädel eines Individuums mit der Inschrift „Neuguinea“ sowie einer Gravur und Färbung im Stirnbein. Der Unterkiefer ist mit einer organischen Schnur am Schädel befestigt. Der Schädel ist mit einer Katalognummer und einem Papieretikett mit der Aufschrift „Museum Umlauff“ versehen, was darauf hinweist, dass die Provenienz mit dem Hamburger Handelshaus für Ethnographica und Naturalien der Familie Heinrich Christian Umlauff zusammenhängt. Die Firma Umlauff war auf den internationalen Handel mit exotischen Kulturgütern spezialisiert, verkaufte Sammlungen und stellte „Sammelobjekte“ für „Völkerschauen“ zur Verfügung. Ob dieser Schädel für Ausstellungs-, Forschungs- oder Lehrzwecke verwendet wurde, ist nicht bekannt, aber es ist möglich, dass er vor den 1990er Jahren für Lehrzwecke verwendet wurde. Darauf deutet seine Unterbringung in einem ehemaligen Schrank zur „Geschichte der menschlichen Entwicklung“ hin, in dem Skelettteile und Schädel zu Lehrzwecken aufbewahrt wurden. Ein Foto dieses Schädels war mehrere Jahre lang auf der Website des Museums für Naturkunde Berlin zu sehen. Die Umstände seines Erwerbs und die Kontexte seiner Verwendung in den Sammlungen werden in diesem Projekt analysiert.
Bei der vorläufigen Bewertung der paläontologischen Sammlung wurden 15 menschliche Überreste unbekannter Herkunft identifiziert. Keines dieser Individuen wurde mit einer Katalognummer versehen, einige sind jedoch mit anatomischen Begriffen beschriftet, die so auch in anderen Teilen der Lehrsammlung zu finden sind. Ein Schädel trägt auf dem Hinterhauptbein eine handschriftliche Inschrift mit der Bezeichnung „Kamerun“. Nach derzeitigem Kenntnis- und Forschungsstand wurde das Individuum in den letzten Jahren weder im Museum ausgestellt noch in der Lehre verwendet. Es gibt keine Inventarnummer, aber die Schrift und die Farbe der Tinte lassen Ähnlichkeiten mit anderen Stücken der Vergleichssammlung vermuten.
Ein dritter Einzelschädel trägt die handschriftliche Aufschrift „SundaInseln, Sumatra“, ebenfalls ohne Katalognummer. Auch hier ist nicht bekannt, ob er ausgestellt oder zu Lehrzwecken verwendet wurde. Weitere Untersuchungen werden durchgeführt, um mögliche Verbindungen zur Vergleichssammlung oder zur Lehrsammlung zu ermitteln.
Das Projekt dokumentierte diese drei Individuen sowie die Netzwerke der beteiligten Akteur*innen und Institutionen im MfN und in Berlin, die in die Zirkulation kolonialer menschlicher Überreste einbezogen waren. Die drei geographischen Kolonialregionen „Kamerun“, „Neu-Guinea“ und „Sunda-Inseln“ waren Sammlungsorte von besonderem Interesse und Ziel mehrerer Expeditionen. Aus diesen drei Regionen besitzt das MfN umfangreiche Sammlungen aus kolonialen Kontexten. Die Archivdokumentation des MfN und insbesondere die Fotosammlung wurden hier genutzt, um die Geschichte der kolonialen menschlichen Überreste im MfN so transparent wie möglich zu machen.