Eine neue Studie, die in der Fachzeitschrift Functional Ecology veröffentlicht wurde, beschreibt die positive Beziehung zwischen sozialer Interaktion und Lautäußerungen bei Fledermäusen. Forscherinnen des Museums für Naturkunde Berlin haben festgestellt, dass es einen positiven Zusammenhang zwischen dem Informationsgehalt von Lautäußerungen und der jeweiligen sozialen Gruppengröße gibt, was auf eine evolutionäre Kopplung hinweist. Vergleichende Untersuchungen dieser Koevolution können dabei helfen, die Evolution menschlicher Sprache besser zu verstehen.
Mit Artgenossen zu kommunizieren kann eine Herausforderung sein, vor allem wenn schwierige Situationen zu bewältigen sind. Wenn soziale Interaktionen komplexer werden, sollten auch die damit verbundenen Lautäußerungen komplexer werden. Eine solche positive Beziehung zwischen sozialer und vokaler Komplexität wurde in mehreren Tiergruppen gefunden, zum Beispiel bei Primaten, Nagetieren und Vögeln. Für Fledermäuse gab es bisher nur wenige vergleichende Untersuchungen, obwohl es sich hierbei um sehr soziale Tiere mit einem hoch entwickelten Kommunikationssystem handelt.
Wissenschaftlerinnen des Museums für Naturkunde führten eine phylogenetische Vergleichsanalyse an 24 Fledermausarten durch, deren soziale Interaktionen und Lautäußerungen zuvor untersucht worden war. Mirjam Knörnschild, Ahana Fernandez und Martina Nagy vom Museum für Naturkunde Berlin analysierten verschiedene Lautäußerungen und bestimmten den Informationsgehalt, der in diesen Lautäußerungen kodiert wurde. Hierbei handelte es sich um Isolationsrufe von Jungtieren zur Kommunikation mit ihren Müttern und Rufe von erwachsenen Fledermäusen zur Kommunikation mit Gruppenmitgliedern. Anschließend verglichen sie den Informationsgehalt der Rufe mit der sozialen Gruppengröße der Fledermäuse in den jeweiligen Situationen, in denen diese Rufe produziert wurden. Die Wissenschaftlerinnen fanden Hinweise auf einen positiven Zusammenhang zwischen dem Informationsgehalt der Rufe und der sozialen Gruppengröße der Fledermäuse. "Das ist spannend", erklärt Martina Nagy, "weil es nahelegt, dass das Kommunikationssystem von Fledermäusen komplexer werden musste, sobald ihre sozialen Interaktionen komplexer wurden."
Diese Erkenntnis ist nicht nur für die Fledermausforschung relevant. „Unsere Ergebnisse tragen auch zur biolinguistischen Forschung bei“, fügt Projektleiterin Mirjam Knörnschild hinzu. „Das interdisziplinäre Forschungsfeld der Biolinguistik untersucht die biologischen Grundlagen der menschlichen Sprache, um ihre Evolution zu verstehen. Aus biolinguistischer Sicht kann die menschliche Sprache durch Studien an Tieren besser verstanden werden, da sie Vergleichsmöglichkeiten zu verschiedenen Aspekten der menschlichen Sprache bieten.“
Um eine umfassende Theorie zur Koevolution von sozialen Interaktionen und Kommunikation im Tierreich zu etablieren, müssen bisher wenig untersuchte Tiergruppen wie Fledermäusen mit einbezogen werden. Dies kann letztendlich dabei helfen zu verstehen, wie sich das bisher komplexeste Kommunikationssystem, die menschliche Sprache, entwickelt hat.
Publiziert in: Functional Ecology
Fotos erhalten Sie unter:
http://download.naturkundemuseum-berlin.de/presse/Fledermausverhalten
Die Fotos können zur Berichterstattung in Zusammenhang mit der Pressemeldung kostenfrei verwenden werden.
Bild 1: Gruppe von nektartrinkenden Fledermäusen, Glossophaga soricina, die tagsüber in einer Höhle miteinander kommunizieren (Bildnachweis: Michael Stifter; Lautäußerungsnachweis: Mirjam Knörnschild).
Bild 2: Männliche Große Sackflügelfledermaus, Saccopteryx bilineata, kommuniziert mit Rivalen, welche am selben Baum übertagen (Bildnachweis: Michael Stifter; Lautäußerungsnachweis: Mirjam Knörnschild).
Bild 3: Gruppe von fruchtfressenden Fledermäuse, Carollia perspicillata, die tagsüber in einem hohlen Baum miteinander kommunizieren (Bildnachweis: Michael Stifter; Lautäußerungsnachweis: Mirjam Knörnschild).