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Unbekannte Schnecken und digitale Daten

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Eine Schnecke (Amphidromus roseolabiatus) sitzt auf einem grünen Blatt vor schwarzem Hintergrund.
Pressemitteilung,

Im Nationalpark Cuc Phuong im Norden Vietnams untersuchten Wissenschaftler:innen des Museums für Naturkunde Berlin als Teil eines internationalen Forschungsteams die Landschneckenfauna. Die nun veröffentlichte Auswertung dokumentiert eine enorme Vielfalt unterschiedlicher Schneckenarten. Viele davon sind noch unbeschrieben. Das gesammelte Material samt zugehöriger, digital verfügbarer Daten bildet eine wichtige Grundlage für weitere Forschung zur Biodiversität der Region. 

In den tropischen Wäldern Vietnams gibt es noch viel zu entdecken. Der Nationalpark Cuc Phuong liegt im Norden des Landes, südwestlich der Hauptstadt Hanoi. In dem Nationalpark, der von dicht bewaldeten Erhebungen aus Kalkstein geprägt ist, führte ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung von Wissenschaftler:innen des Museums für Naturkunde Berlin im Jahr 2019 eine Erfassung der Biodiversität verschiedener Organismengruppen durch. Die im Rahmen des deutsch-vietnamesischen Forschungs- und Ausbildungsprojekts VIETBIO vorgenommene Bestandsaufnahme umfasste auch die Untersuchung der landlebenden Schnecken des Nationalparks. Nun wurde in der Fachzeitschrift Biodiversity Data Journal eine detaillierte Auswertung dieser Schnecken-Erfassung veröffentlicht. Die Publikation legt dar, dass bei der Untersuchung im Nationalpark insgesamt 116 Schneckenarten aus 23 Familien nachgewiesen wurden. Darunter sind millimetergroße bis faustgroße Arten, solche mit flachen, runden oder lang gestreckten Gehäusen ebenso wie Nackt- und Halbnacktschnecken. „Von den gefundenen Arten konnten wir 47 keiner bekannten Spezies zuordnen; bei den meisten davon dürfte es sich um bislang unbeschriebene Arten handeln“, erklärt der Erstautor der Studie, Schneckenforscher Parm von Oheimb vom Berliner Naturkundemuseum. 

In ihrer Veröffentlichung fassen die Autor:innen der Studie zudem bisherige Untersuchungen über die Landschnecken des Nationalparks zusammen. Auf dieser Grundlage konnten sie die Gesamtzahl der für den Park nachgewiesenen Arten nun mit insgesamt 159 beziffern. „Viele der in dem Schutzgebiet lebenden Schnecken kommen nur in diesem Teil Nordvietnams und nirgendwo sonst vor“, ergänzt Katharina von Oheimb, ebenfalls Schneckenforscherin am Berliner Naturkundemuseum. „Der Vergleich mit anderen Regionen zeigt, dass der Nationalpark Cuc Phuong für Landschnecken weltweit zu den artenreichsten bislang untersuchten tropischen Wäldern zählt.“ 

Während der knapp zweiwöchigen Feldforschung ist eine umfangreiche Sammlung von Leergehäusen und in Alkohol konservierten Tieren zustande gekommen, die in Zukunft weiterführende wissenschaftliche Untersuchungen erlaubt. Die Sammlung wurde aufgeteilt und befindet sich am Museum für Naturkunde Berlin und dem Institute of Ecology and Biological Resources in Hanoi. Für eine langfristige Konservierung von Gewebeproben, etwa für molekulargenetische Untersuchungen, wurde zudem entsprechendes Material in der Gewebesammlung des Museums für Naturkunde Berlin eingelagert. Detaillierte Daten zur Sammlung, beispielsweise zu Konservierung, Bestimmung, Fundort und Lebensraum, wurden im Rahmen der Veröffentlichung in digitaler und maschinenlesbarer Form zugänglich gemacht und sollen die zukünftige Forschung mit dem Material erleichtern. Darunter sind auch Fotos lebender Tiere, die vor Ort aufgenommen wurden. Darüber hinaus beinhaltet die Publikation auch zahlreiche Fotos des neuen Sammlungsmaterials, darunter auch erstmals solche, die mit der in den letzten Jahren zur Digitalisierung der Weichtiersammlung des Museums für Naturkunde Berlin neu entwickelten DORA-Station erstellt wurden. 

Die nun veröffentlichten Daten lassen für die Schnecken unterschiedliche Verbreitungsmuster innerhalb des Nationalparks erkennen, die gemeinsam zur hohen Gesamtartenzahl beitragen. Dazu erläutert Parm von Oheimb: „Längst nicht alle Arten sind an den gleichen Standorten im Park anzutreffen. Manche kommen nur in einigen Bereichen vor und treten nicht gemeinsam mit bestimmten anderen Arten auf. Und auch Arten mit überlappenden Verbreitungsgebieten bewohnen vielfach unterschiedliche Teillebensräume, sind beispielsweise Felsspezialisten oder Bodenbewohner.“ 

Die Schnecken wurden im Nationalpark teils in großer Individuenzahl gefunden. Der Kalkstein liefert den Tieren das für ihre Gehäusebildung nötige Calcium. Allerdings waren keineswegs alle Schneckenarten häufig. Von einem erheblichen Teil konnten nur wenige Individuen gefunden werden und von rund 15% der Arten sogar jeweils nur ein einziges Exemplar. Da viele Schneckenarten im Nationalpark offenbar selten oder ungleichmäßig verbreitet sind, gehen die Forschenden davon aus, dass ein Teil der Artenvielfalt bei bisherigen Erhebungen noch gar nicht dokumentiert wurde. Unter Berücksichtigung der Resultate einer früheren Erfassung der Schneckenfauna und der von ihnen erhobenen Daten konnten sie eine statistische Abschätzung der Gesamtartenzahl der Schnecken im Nationalpark vornehmen. Demnach sind im Park nicht weniger als rund 184 Arten von Landschnecken zu erwarten. Diese Schätzung übertrifft die momentan bekannte Gesamtartenzahl deutlich und unterstreicht einmal mehr die hohe Biodiversität der Region. Schutzgebiete wie der Nationalpark Cuc Phuong sind für ihren Erhalt von großer Bedeutung. 

Publikation 

Oheimb, P.V. von; Sulikowska-Drozd, A.; Dinh, T.D.; Lentge-Maaß, N.; Do, T.V. & Oheimb, K.C.M. von (2025): Terrestrial Mollusca of Cuc Phuong National Park, Vietnam – Results from the 2019 VIETBIO inventory work. Biodiversity Data Journal, 13, e163277. https://doi.org/10.3897/BDJ.13.e163277

Eine Schnecke (Amphidromus roseolabiatus) sitzt auf einem grünen Blatt vor schwarzem Hintergrund Katharina C. M. von Oheimb
Eine Schnecke (Atopos sp. A) kriecht über einen Stein Katharina C. M. von Oheimb
Eine Schnecke (Dioryx messageri) kriecht über einen Ast Katharina C. M. von Oheimb
Digitalisierung von Schneckengehäusen in einer Digitalisierungsstation Katharina C. M. von Oheimb
Forschende in den Wäldern des Nationalparks Cuc Phuong MfN_B.Schurian
Eine Schnecke (Ganesella procera) auf einem Ast Katharina C. M. von Oheimb
Eine Schnecke (Geotrochatella insignis) auf einem Stein Katharina C. M. von Oheimb
Eine Schnecke (Macrochlamys despecta) auf einem Blatt Katharina C. M. von Oheimb
Eine Schnecke (Megaustenia messageri) kriecht über die Erde Katharina C. M. von Oheimb
Wolkenverhangene, bewaldete Berge im Nationalpark Cuc Phuong  MfN_B.Schurian

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