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Das fossile Zwergkrokodil aus dem Harz: Entdeckung einer neuen Gattung

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fossiles Zwergkrokodil
Pressemitteilung,

Ein Forscherteam vom Museum für Naturkunde Berlin und dem Landesmuseum Hannover hat eine neue Gattung und Art eines kleinen fossilen Krokodils aus der Gruppe der Atoposauriden beschrieben, die eine Vorfahrengruppe für die modernen Krokodile darstellen. Der hier neu beschriebene Knoetschkesuchus aus dem Harz lebte zusammen mit kleinwüchsigen Dinosauriern auf einer Insel im Jurameer und war nahe verwandt mit einem Jura-Krokodil aus Portugal.

Knoetschkesuchus langenbergensis war ein Krokodil von nicht mehr als 50 cm Körperlänge, welches mit seiner kurzen Schnauze und den großen Augen sicher ein echter Terrarienliebling für Reptilienfreunde hätte werden können. Leider lebte das Tierchen schon vor etwa 154 Millionen Jahren im nordwestdeutschen Harzvorland. Die durch die Forscher beschriebenen Exemplare wurden in einem Steinbruch bei Goslar gefunden, der für Fossilien von sowohl marinen als auch  landlebenden Tieren bekannt ist. Zu letzteren gehört der kleinwüchsige Dinosaurier Europasaurus holgeri. Von Knoetschkesuchus fand man zwei hervorragend erhaltene Schädel und weitere Skelettreste unterschiedlicher Altersstadien. Die Fossilreste sind zum Teil im Sediment eingebettet und nur wenige cm groß, was die genaue taxonomische Bestimmung der Stücke erschwerte. So wurden die Fossilien in einer älteren Studie der in Europa im oberen Jura weit verbreiteten Krokodilgattung Theriosuchus zugeordnet. „Die Schädelreste sehen denen von Theriosuchus auf den ersten Blick sehr ähnlich und die wenigen offensichtlichen Abweichungen wurden mit Altersvariationen begründet. Es lag daher auf der Hand, die Tiere zunächst diesem Krokodil zuzuordnen“, erläutert Wissenschaftlerin Daniela Schwarz vom Museum für Naturkunde Berlin.

Mit Hilfe von mikro-computertomographischen Untersuchungen konnten die kleinen Schädelreste nun aber genau durchleuchtet und sehr präzise Schädelrekonstruktionen angefertigt werden. Die Rekonstruktionen zeigten eine interessante neue Merkmalskombination: Das Jura-Krokodil vom Langenberg bei Goslar besitzt zwei unterschiedliche Morphotypen von Zähnen. So kommen neben spitzen Kegelzähnen im vorderen Kieferbereich auch rundlichere lanzettförmige Zähne im hinteren Kieferbereich vor. Charakteristisch sind auch die Choanen - knöcherne Öffnungen des Nasenganges in den Rachenraum, jeweils eine zusätzliche Schädelöffnung vor den Augen und im Unterkiefer sowie spezielle Proportionen an den Schläfen und im Schädeldachbereich. Diese Merkmalskombination findet sich so auch bei einem ursprünglich als Theriosuchus guimarotae beschriebenen Krokodil aus dem oberen Jura von Portugal, so dass für beide Arten eine neue Gattung gefunden werden musste. Durch die Benennung einer neuen fossilen Krokodilgattung zeigt sich, dass die Vielfalt der Krokodile im Oberjura Europas größer war als bisher gedacht. Knoetschkesuchus gehört wie Theriosuchus zur Gruppe der Atoposauriden, die kleinwüchsige fossile Krokodile mit großen Augen und kurzer Schnauze aus Jura und Kreide umfasst.

Die Atoposauriden stehen systematisch nahe am Ursprung der modernen Krokodile. Die neue Studie bestätigt diese Zuordnung und erhöht damit auch die Diversität in der Gruppe der Atoposauriden. Während bei Knoetschkesuchus noch hauptsächlich Insektenkost angesagt war, kommt es bei Theriosuchus zur Herausbildung eines dritten Morphotypen mit abgeflachten und gezackten Zähnen, so dass dieser vermutlich auch pflanzliche Kost oder Früchte in sein Nahrungsspektrum mit einbeziehen konnte. Die Funde von Knoetschkesuchus zeigen daher auch einen wichtigen Faktor in der Evolution der Atoposauriden: die Diversifizierung der Zahntypen und Ernährungsweisen. Knoetschkesuchus lebte vermutlich an den sumpfigen Inselrändern im jurassischen Archipel und war in den einzelnen Lebensräumen mit unterschiedlichen Arten präsent. Dazu erläutert Oliver Wings, der vor wenigen Monaten von Hannover zur Stiftung Schloss Friedenstein Gotha wechselte: „Der Fundort repräsentiert eine einzigartige Inselfauna aus dem Oberen Jura mit verschiedensten terrestrischen und aquatischen Organismen. Knoetschkesuchus passt perfekt in diesen Lebensraum und erweitert unsere Kenntnisse über die Faunenzusammensetzung auf kleinen fossilen Inseln“.

Die Studie ist Teil des Europasaurus-Projektes, welches, unterstützt von der VolkswagenStiftung im Programm „Forschung in Museen“, seit 2012 vom Landesmuseum Hannover koordiniert wird.

Veröffentlicht in: Schwarz, D., Raddatz, M. & Wings, O. 2017. Knoetschkesuchus langenbergensis gen. nov. sp. nov., a new atoposaurid crocodyliform from the Upper Jurassic Langenberg Quarry (Lower Saxony, northwestern Germany), and its relationships to Theriosuchus. PLoS One.

Die vollständige Publikation ist hier zu lesen: http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0160617

Fotos erhalten Sie unter:

http://download.naturkundemuseum-berlin.de/presse/Zwergkrokodil

Die Fotos können zur Berichterstattung in Zusammenhang mit der Pressemeldung kostenfrei verwenden werden.

Abbildungen

  1. Rekonstruktionszeichnung von Knoetschkesuchus langenbergensis. Künstler: Joshua Knüppe
  2. Einige Exemplare von Knoetschkesuchus langenbergensis in ihrem natürlichen Lebensraum in Nordwestdeutschland, zu sehen ist auch ein Kadaver des ebenfalls dort lebenden Zwergsauropoden Europasaurus holgeri. Künstler: Joshua Knüppe
  3. Kalksteinbrocken mit dem Teilskelett und Schädel von Knoetschkesuchus, Foto: Maik Raddatz

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