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Umzug der Schädel

Umzug Geweihkeller

Dieser Artikel erschien zuerst in unserem Journal für Natur (Ausgabe 3/2020).

Tausende Hörner und Geweihe ziehen in neue Sammlungsräume – ihre digitalen Abbilder sind künftig weltweit frei zugänglich. Kustos Frieder Mayer behält beim Umzug der Huftierschädel die Übersicht.

Ein Labyrinth von Gängen mit tausenden Schränken verbirgt sich im Museum für Naturkunde Berlin. Einige Gänge mit nostalgischen, dunkelgrünen Metallschränken schafften es als Drehort sogar in die dritte Staffel der Serie Babylon Berlin. Dort, wo kaum Gäste hinkommen, liegt die wissenschaftlich wertvolle Forschungssammlung des Museums. Zu ihr zählt auch die Sammlung von Huftierschädeln mit einer Vielzahl an prachtvollen Geweihen und Hörnern – ob von Antilopen oder von Elchen. Tausende dieser Schädel ziehen nun für die Wissenschaft um.

"Jedes einzelne Objekt nehmen wir in die Hand, reinigen es, überprüfen die Etiketten, fotografieren es und digitalisieren sämtliche Informationen über das Objekt", beschreibt Frieder Mayer das Prozedere. Mayer ist Kustos der Säugetiersammlung und hat drei Jahre lang den Umzug der Huftierschädel und deren Digitalisierung mitorganisiert. "Mit der digitalen Erschließung schaffen wir völlige Transparenz über den Bestand. Und noch etwas ist phänomenal: In Zukunft finden Menschen von überall auf der Welt jeden einzelnen Schädel, jedes Hirschgeweih oder Horn in einer digitalen Datenbank. Das ist ein Goldstandard in der Erschließung von naturkundlichen Sammlungen", sagt Mayer begeistert.

Umzug Geweihkeller, Frieder Mayer

Der Umzug vom "Geweihkeller" und "Geweihboden" in die neuen Sammlungsräume des sanierten Ostflügels ist auch ein Pilotprojekt für die digitale Erschließung aller Sammlungen im Haus. Durch den Zukunftsplan werden in den kommenden Jahren alle 30 Millionen Objekte der Sammlung, von der kleinsten Fliege bis zum größten Dinosaurierknochen, digitalisiert und frei zugänglich.

Warum das keine einfache Aufgabe ist, zeigt die Arbeit an der Schädelsammlung. "Es gibt kleine oder große Hörner, schmale oder ausladend geschwungene Geweihe. Jeder Schädel muss in die Hand genommen und von allen Seiten fotografiert, transportiert und schließlich möglichst platzsparend gelagert werden", sagt Katrin Spitzer, Sammlungspflegerin. Ist das Objekt im Fotostudio digitalisiert, bekommt es ein neues Sammlungsetikett mit QR-Code. In einer Datenbank gibt es dann für jedes Objekt einen Steckbrief: Welche Art ist es? Woher stammt es? Wann und wer hat es gesammelt? Für die Forschung aus unterschiedlichen Disziplinen wie Taxonomie, Evolutionsbiologie, Archäologie oder Wissenschaftsgeschichte sind solche Informationen unverzichtbar. Hängt das neue Etikett am Schädel oder Geweih, darf es zu seinem neuen Platz in den neuen Sammlungssaal. "Für den Transport verpacken wir die Schädel in Blasenfolie und legen sie dann in eine fahrbare Kunststoffkiste. Weil die Schädel teilweise mehrere Kilo schwer sind, habe ich täglich ein kleines Sportprogramm", lacht Spitzer.

Über etliche Sammlungsgänge geht es in den Ostflügel. Hier werden die Schädel in die meterhohen Regale gehängt. Dicht an dicht geben sie mit ihrer Fülle ein faszinierendes Bild ab und erinnern an das Dickicht eines Zauberwaldes. Schädel von Weibchen, die keine Geweihe haben, kommen in Schachteln verpackt in die unteren beiden Regalböden. So hängen bald in dem neuen Huftiersaal 4.000 Schädel mit Geweihen und Hörnern, und weitere 2.000 Schädel liegen in Kisten darunter. Der hochmoderne Sammlungsraum, der beste Bedingungen für die Konservierung bietet, ist außerdem gläsern gestaltet. Über eine Glasfront werden die Besuchenden in den nächsten Jahren direkt in die Forschungssammlung und auf die imposanten Gänge voller Geweihe sehen können. In einem zweiten, neuen Schädelsaal schräg gegenüber kommen die restlichen Säugetierschädel in die frisch restaurierten Glasvitrinen. Zehntausende weitere Schädel ziehen hier dann ein – von der Zwergfledermaus bis zum Elefanten.

Digitalisierung Säugetiersammlung

Text: Carmen Schucker
Fotos: Pablo Castagnola