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Neue Ursaurierart entdeckt

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Lebensrekonstruktion von Stenokranio boldi
Pressemitteilung,

Ein internationales Forscherteam mit Beteiligung des Museums für Naturkunde Berlin hat im Rotliegend zwischen Kaiserslautern und Trier im westlichen Rheinland-Pfalz eine neue Ursaurierart nachgewiesen. Das nach seiner speziellen Kopfform Stenokranio (Griechisch: stenos + kranio = "Schmalschädler") benannte Tier lebte vor knapp 300 Millionen Jahren und war eines der größten Raubtiere seiner Zeit.

Die neue Art Stenokranio boldi wurde bis anderthalb Meter lang, hatte einen großen, flachen Schädel mit vielen spitzen Zähnen und ernährte sich von Fischen und anderen Ursauriern. Sie ist ein ausgestorbener Vertreter der Temnospondyli – einer Gruppe von Amphibien, die im Erdaltertum besonders artenreich war. Als Amphib vermochte das Tier im Wasser und an Land zu leben. Im Gaumen hatte Stenokranio drei Paare von großen, nach hinten gebogenen Reißzähnen, die dazu dienten, glitschige Beute wie Fische festzuhalten.

Lange vor der Entstehung der Krokodile lebte das Amphib Stenokranio als Lauerjäger in und am Rande tropischer Gewässer. Nach Körperform und Lebensweise besetzte das Tier eine ähnliche ökologische Nische wie die späteren Krokodile.

Stenokranio ist Teil der ältesten gut belegten Ursauriergemeinschaft Europas, die vom Remigiusberg bei Kusel in der Westpfalz stammt. An Vierfüßern wurden aus dem pfälzischen Fossilvorkommen bisher Reste von drei weiteren Ursaurierarten (Cryptovenator hirschbergeri, Remigiomontanus robustus, Trypanognathus remigiusbergensis) beschrieben, deren nächste Verwandtschaft im heutigen Südwesten der USA und in Thüringen beheimatet war.

Der Fund dieses Spitzenprädators ist ein wichtiger neuer Mosaikstein in unserem Bild von der Diversität und den Wechselbeziehungen längst ausgestorbener Lebewesen in den Seen und Flüssen im späten Erdaltertum Mitteleuropas. Er ermöglicht Vergleiche mit ähnlichen Lebensräumen in Europa und den USA. Hier stellt die Fundstelle Remigiusberg mit ihren hauptsächlichen wasserlebenden Amphibien das ideale Gegenstück zu den zeitgleichen Schichten des Bromackers in Thüringen dar, den das Museum für Naturkunde Berlin in einem Kooperationsprojekt gemeinsam mit Partnern erforscht. Dort wurden bisher nur Amphibien und andere Vierfüßer gefunden, die an das Leben an Land angepasst waren.

Faktensammlung zu Stenokranio boldi

Wie groß und schwer konnten die Tiere werden?

Stenokranio konnte schätzungsweise bis zu 1,5 Meter lang werden. Das am nächsten verwandte Tier, Eryops megacephalus aus den USA, erreichte Schädellängen von bis zu 60 Zentimeter und Körperlängen von bis zu drei Metern. Das Körpergewicht der großen amerikanischen Tiere wird auf 160 Kilogramm geschätzt. Das größte bekannte Exemplar von Stenokranio könnte bis zu 70 Kilogramm Lebendgewicht aufgewiesen haben.

Wo hat das Tier gelebt? Wie muss man sich den Lebensraum vorstellen?

Zu Lebzeiten von Stenokranio lag die Pfalz nahe dem Äquator und war Teil eines riesigen (100 x 300 Kilometer großen) Gebirgstals, das von Lothringen bis Frankfurt am Main und vom Hunsrück bis fast nach Karlsruhe gereicht hat. Das Gebirgstal (geologisch: Lothringen-Saar-Nahe-Becken) war eine tropische Fluss- und Seelandschaft. Im Bereich des heutigen Remigiusbergs mündete damals ein großer Fluss in einen etwa 70 Kilometer langen See. Am Ufer dieses Sees bzw. im Delta des besagten Flusses hat Stenokranio gelebt. 

Wie hat das Tier gelebt?

Stenokranio hat die ökologische Nische der erst seit dem Erdmittelalter auftretenden Krokodile besetzt. Es war ein Amphib, das im Wasser und an Land leben konnte. Die Vermehrung erfolgte im Wasser. Die Jungtiere werden überwiegend im Wasser, die erwachsenen Tiere im Wasser und an Land gelebt haben. Stenokranio war ein Fisch- und Fleischfresser, der als Lauerjäger im Flachwasser und am Ufer von Seen und Flüssen seiner Beute nachgestellt haben dürfte. Neben frühen Vorläufern der Säugetiere, wie den fleischfressenden Rückensegelsauriern, gehörte Stenokranio zu den größten bekannten Raubtieren seiner Zeit. Die Konstruktion seiner Kiefer ermöglichte kein Zerschneiden (oder Kauen) von Beute. Beutetiere wurden gepackt, mit den spitzen Zähnen und den vergrößerten Reißzähnen im Gaumen festgehalten und vermutlich mehr oder weniger im Ganzen heruntergeschlungen.  

Warum wird das Tier als Ursaurier bezeichnet?

Der Begriff "Ursaurier" ist eine populäre Sammelbezeichnung für die Vierfüßer des Erdaltertums. Der Begriff schließt Amphibien und Reptilien ein, hat aber keine wissenschaftliche Bedeutung und hat auch nichts mit den Dinosauriern zu tun. Die "Ursaurier" haben vor den Dinosauriern gelebt. Die ersten Dinosaurier haben etwa 60 Millionen Jahre nach Stenokranio in der Mittleren Trias gelebt.

Publikation

Werneburg, R., Witzmann, F., Rinehart, L., Fischer, J. & Voigt, S. (2024): A new eryopid temnospondyl from the Carboniferous-Permian boundary of Germany. – Journal of Paleontology, doi: 10.1017/jpa.2023.58.

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