Aktuelles
"Natur der Dinge" bei der "Nacht der Ideen": Biotopien. Arten des Lebendigseins. Institut français de Berlin. Geleitet von Julia Totove.
Empfohlenes Alter: Ab 14 Jahren, 11. Juni 2024, 14:00 Uhr.
Ein Sammlungsexperiment
Bilder von brennendem Regenwald, die unvorstellbare Größenordnungen menschlicher Eingriffe in natürliche Lebensräume darstellen, oder Exponentialkurven, die den Anstieg des weltweiten CO2-Ausstoßes oder des Plastikvorkommens in den Weltmeeren zeigen: Diese Visualisierungen tragen entscheidend dazu bei, das Ausmaß der globalen Transformationen der Erde durch menschliches Handeln sichtbar zu machen. Doch helfen sie uns nur begrenzt, den Wandel in unserer Beziehung zur Natur im Einzelnen zu verstehen – und konkrete gesellschaftliche Handlungsoptionen zu entwickeln, um darauf zu reagieren.
Im Sammlungsexperiment Natur der Dinge geht es uns darum, sowohl die planetare Wirkmacht des Menschen als geologischem Faktor als auch seine Verstrickung in das Erdsystem und die Interaktion mit anderen Spezies subjektiv erfahrbar werden zu lassen. Als Verbundprojekt mit dem Muséum national d’Histoire naturelle Paris suchen wir nach neuen Formen der Wissensvermittlung im Kontext naturkundlicher Sammlungen. Im Zentrum steht dabei das kulturelle Wissen vom menschlichen Einfluss auf Natur: Wie formen gesellschaftlich geprägte, kollektive oder individuelle Vorstellungen unsere Beziehung zur Natur? Und was erzählen uns die materiellen Zeugnisse sich verändernder Mensch-Natur-Beziehungen – Alltagsgegenstände, Erinnerungsstücke, Objekte und Dokumente aus der Vergangenheit – über globale Transformationen?
Partizipatives, digitales, vernetztes Sammeln

Das explorative Projekt beginnt in einem offenen bottom up-Prozess mit einem Citizen Science-Ansatz noch einmal ganz neu zu sammeln. Über die geplante Plattform rufen wir Bürger*innen dazu auf, Objekte aus der Vergangenheit einzureichen, zu denen sie einen persönlichen Bezug haben und anhand derer sich die Veränderungen der Umwelt und des Mensch-Natur-Verhältnisses erzählen lassen, z.B. anhand von Biodiversitätsverlust. Die digitale Repräsentation dieser natürlich-kulturellen Erinnerungsobjekte (vom Soundfile eines Vogelgesangs, einem alten Kochbuch mit vergessenen Gemüsesorten bis hin zur über Generationen gehegten Zimmerpflanze) ist jeweils verknüpft mit der persönlichen Geschichte der Finder*innen. User*innen können zudem verschiedene Verbindungen, Sortierungen und Kommentierungen der Objekte und ihrer Geschichten vornehmen.
Dabei verfolgen wir einen explorativen Ansatz in dreierlei Hinsicht:
- Thematisch zielt die Sammlung darauf, multiplen Perspektiven, ungehörten Geschichten und heterogenen Wahrnehmungen von Naturbeziehungen und ihrem Wandel einen Raum zu geben.
- Methodisch ist sie als partizipative und digitale Sammlung angelegt. Im Austausch mit Citizen Scientists entsteht derzeit eine trilinguale (Deutsch, Französisch, Englisch) Online-Plattform, die als Sammlungs-, Ausstellungs- und Forschungsplattform Zugänge für unterschiedliche Nutzungen – Entdecken, Forschen, Mitwirken – schafft.
- Auch die erhobenen Daten sind Teil des Explorationsprozesses: Kollektive Erinnerungen und Alltagsobjekte stehen genauso im Fokus wie ihre Vernetzung durch das gemeinsame Erzählen von Geschichten und kollektiv erstellte Metadaten.
Das Projekt geht aus einer deutsch-französischen Arbeitsgruppe zu Citizen Science hervor. Es wird inhaltlich und in seinen Ressourcen von beiden Partnern gleichberechtigt verantwortet, getragen und durchgeführt. Begleitend zum Aufbau der Sammlung finden verschiedene Veranstaltungen und Forschungskativitäten im Austausch mit Wissenschaftler*innen verschiedener Disziplinen statt sowie öffentliche Aktivierungsformate an den Museen in Berlin und Paris.
Naturkundliches Sammeln im "Zeitalter des Menschen"
Die Folgen menschlicher expansiver Lebens- und Produktionsweisen beeinflussen heute in entscheidendem Maße die biologischen, atmosphärischen und geologischen Prozesse auf der Erde. Sie sind bis in die Sedimente, die Gesteinsschichten der Erde hinein nachweisbar: Es gibt daher gute Gründe, die Gegenwart als Anthropozän, als "Zeitalter des Menschen", zu bezeichnen. Damit verbunden ist die Überzeugung, dass die Gegenüberstellung von Mensch und Natur nicht mehr haltbar ist. Und dass die zugehörige Einteilung des Wissens – in (Natur)Wissenschaft einerseits; Kunst, Kultur und Gesellschaft andererseits – nicht zielführend ist, wenn wir die Veränderungen unserer Gegenwart erfassen wollen.
Das "Anthropozän" versteht das Projekt insofern vor allem auch als Anlass, Impulse für die Neuorganisation des Wissens für unsere Gegenwart zu liefern: Das heißt auch, neu über die gesellschaftliche und kulturelle Dimension naturkundlicher Sammlungen nachzudenken. Es gilt, das vorhandene, reiche naturwissenschaftliche Wissen naturkundlicher Museen um kollektive, alltägliche, multiperspektivische Formen des Wissens über die Natur zu erweitern. Angesichts der globalen Herausforderungen geht es uns darum, im Dialog mit der Gesellschaft neue, hybride Formen des Wissens über die komplexen Verflechtungen von Mensch und Natur zu sammeln, zu verbinden und nutzbar zu machen.
Presse
- Juni 2023: „Für Natur“ Magazin, in Zusammenarbeit mit dem Tagesspiegel: Die Geschichtensammlerin
- November 2022: "Das Anthropozän ist überall! Sogar in der Neuköllner Oper Berlin" - Ein Beitrag von Dr. Claire Förster, Ethnografin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt „NuForm“ am Museum für Naturkunde Berlin
- Oktober 2022: Spektrum Interview: »Wir laden alle ein, Sammler zu werden«
- Oktober 2022: radioeins: "Natur der Dinge" - Digitale Sammlung des Anthropozäns
- Oktober 2022: Pour la Science Interview: La science participative documente l’expérience intime des changements environnementaux (in Französisch)
- Oktober 2022: BR50 Podcast: Aktivismus in der Wissenschaft - Geht das? (Folge #08)
- Juli 2022: Beats & Bones - Der Podcast vom Museum für Naturkunde Berlin: Anthropozän: Die Verantwortung liegt bei uns
- Juli 2022: Bürger schaffen Wissen Interview: „Die Teilnehmenden sind die Expert*innen“ – Nachgeforscht bei Elisabeth Heyne und Mira Witte von Natur der Dinge
Veranstaltungen
- Oktober 2023: „Natur der Dinge: Objektgespräche. Fallstudien zu einem offenen Sammlungsexperiment“, 25. September und 16. Oktober 2023, 17-19 Uhr. (mit Expert:innen aus Wissenschaft und Gesellschaft)
- September 2023: Spieltest „Changing Natures: Ecocene" mit Trust und dem Natur der Dinge Team
- September 2023: Natur der Dinge beim Beats & Bones Podcast-Festival
- August 2023: Tour mit dem Podcast GUT ZU VÖGELN
- Juni 2023: Lange Nacht der Wissenschaften (LNDW)
- Juni 2023: Netzwerk Naturwissen im Gespräch. Wie wir uns den Klimawandel erzählen, ohne zu verstummen
- Januar 2023: Pilot Workshop-Reihe mit Schüler:innen der Hagenbeck-Schule in Berlin-Weißensee: Wie kann die Wissenschaft genauer zuhören, was Kinder und Jugendliche zu den aktuellen Veränderungen zu sagen haben?
- November 2022: Abends im Museum: Über Leben im Zeitalter des Menschen
- Oktober/November 2022: Neue Lieder von der Erde & Natur der Dinge: Das Museum für Naturkunde zu Gast in der Neuköllner Oper
- Oktober 2022: ECSA Konferenz: Citizen Science Markt und Konferenztag 1
- Oktober 2022: Launch der Plattform in Paris: Eröffnungszeremonie der Plattform am Muséum national d’Histoire naturelle Paris.
- Juli 2022: Lange Nacht der Wissenschaften
- Juni 2022: Auftaktveranstaltung und Launch der Plattform
Ein interaktiver Abend, gerahmt von künstlerischen Interventionen des FARN Kollektivs - Im Februar, März und April 2022: Zusammen mit Europeana: "Anthropozän-Objekte. Sammlungspraktiken für das Zeitalter des Menschen" (Workshopserie)
- Juli/August 2021: Erzähl- und Schreibworkshops