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Bilder der Natur #1

Eine geöffnete Archivbox mit historischen Fotografien

 

Bilder der Natur – Objektgeschichten aus den Bild- und Schriftgutsammlungen der Historischen Arbeitsstelle

Julia Bärnighausen und Sophia Gräfe, Oktober 2020

Die Historischen Bild- und Schriftgutsammlungen der Historischen Arbeitsstelle gehen auf die Verwaltungsakten der naturwissenschaftlichen Sammlungen der 1810 gegründeten Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin (heute Humboldt-Universität zu Berlin) zurück. Diese enthielten zunächst vor allem administrative Unterlagen, Briefwechsel und Sammlungskataloge. Hinzu kamen die Forschungs- und Korrespondenzunterlagen der einzelnen Kustodien, welche zumeist dezentral ihre Schriftstücke und Bilder aufbewahrten. In den 1920er Jahren begannen Walther Arndt (1891–1944), Kustos am Zoologischen Museum, und später Erwin Stresemann (1889–1972) mit einer ersten Sortierung und Registratur von historischen Bildern und Schriftgut. Durch das Wirken der Biologiehistorikerin Ilse Jahn (1922–2010) wurde diese Arbeit ab Ende der 1960er Jahre systematisiert. 1988 erhielten die Historischen Bild- und Schriftgutsammlungen (HBSB) den Status einer zentralen Einrichtung des Museums, deren Regalmeter kontinuierlich wachsen. Die Erschließung ihrer Bestände war bislang vor allem von spezifischen Forschungsfragen rund um das Museum für Naturkunde und seiner internationalen Beziehungen geleitet. Eine ausführliche und übergreifende Sammlungsgeschichte ist noch nicht geschrieben.

Im Sommersemester 2020 hat sich eine interdisziplinäre Gruppe von Studierenden mit einem Teil der Bestände, den vielfältigen Bildern, etwas genauer befasst. Im Kern des Forschungsprojekts standen die Historischen Bildsammlungen. Unter der Leitung der Kunsthistorikerin Sabine Hackethal wurden diese ab den 1980er Jahren zusammengefasst und geordnet. Sie umfassen nach aktueller Schätzung mehr als 30.000 Bilder. Aber auch im restlichen Bestand des heutigen Archivs ist eine Vielfalt bildlicher Medien zu finden: wissenschaftliche Zeichnungen, Illustrationen, Grafiken, Aquarelle, Ölbilder, Druckgrafiken, wie zum Beispiel Kupferstiche und Lithografien, Fotografien, Glasplattennegative und Diapositive sowie Filme und Lehrtafeln. Einen besonderen Bestand bilden die schon im 19. Jahrhundert begründeten Portraitsammlungen. Zudem sind Kleinplastiken, Modelle und Siegel in der Objektsammlung der Historischen Arbeitsstelle zu finden. Auch sie prägen unser Wissen über historische Ansichten von Natur.  

Die Beiträge der Reihe "Bilder der Natur" geben einen Einblick in die Bildwelt der Historischen Arbeitsstelle. Sie wurden von Studierenden der Humboldt-Universität sowie von Forscherinnen der Historischen Arbeitsstelle im Format der Objektbiografie verfasst. Aus den Material Culture Studies der 1980er Jahre entlehnt, hat sich dieses Konzept inzwischen auch für die Beforschung visueller Medien bewährt. Bilder sind demnach keine 'Flachware', sondern "dreidimensionale" Gebrauchsobjekte (Edwards) mit Vorderseiten, Rückseiten und zahlreichen Bearbeitungsspuren. Jedes Bild hat eine eigene 'Biografie', die sich über seine ursprüngliche Funktion hinaus im Archiv fortsetzt. Wir laden Sie dazu ein, die Bilder in ihrer Entstehung, historischen Nutzung, Archivierung und Digitalisierung kennenzulernen. 

Das Projekt "Bilder der Natur" ist aus einer Lehrveranstaltung des Programms "Vielfalt der Wissensformen" des bologna.lab hervorgegangen und wurde im Rahmen des Qualitätspakts Lehre vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Es beteiligte Studierende der Fächer Kunstgeschichte, Kulturwissenschaft, Geschichte, Bibliotheks- und Informationswissenschaft. Wir danken Sandra Miehlbradt, Yvonne Reimers und Sabine Hackethal von der Historischen Arbeitsstelle für die Begleitung der Recherchen, ebenso Anne MacKinney für das Lektorat der englischen Texte und Carola Radke und Hwa Ja Götz für die Fotografien.

Abbildung oben: "Mammalia", eine bislang unerschlossene Fotokiste im Archiv, MfN, HBSB, Tierdarstellungen – Säugetier, unverzeichnet, © Carola Radke, MfN.

Bilder der Natur, Ausgabe 1, 10/2020

Bilder der Natur 2020/01 – Die Jagd nach dem "Fuchs mit zwey Schwänzen" Marna Schneider 
Bilder der Natur 2020/02 – Ein Schmetterlingskörper als Dokument Yvonne Reimers
Bilder der Natur 2020/03 – Von der Kette zum Kreis Anne MacKinney
Bilder der Natur 2020/04 – Fotografien als Beifang Anastasiia Iarkaeva
Bilder der Natur 2020/05 – Der vergessene Grasbrand Paula Zwolenski
Bilder der Natur 2020/06 – Zeugnisse im Archiv: Markus Mailopu Sandra Miehlbradt

NEU: Bilder der Natur, Ausgabe 2, 03/2024 Sophia Gräfe und Julia Bärnighausen

Bilder der Natur 2024/01 – Ist ein Tier ein Dokument? Fiona Möhrle
Bilder der Natur 2024/02 – Nach dem Leben gezeichnet Polina Kiourtidis & Hanna Wüste
Bilder der Natur 2024/03 – Fotografische Rekonstruktionen Enea Conte
Bilder der Natur 2024/04 – Reisende Bilder Sarina Schirmer & Katharina Ziegler
Bilder der Natur 2024/05 – Leerstellen im Archiv Alona Dubova
Bilder der Natur 2024/06 – Komplexe Zeichen Luisa Marten
Bilder der Natur 2024/07 – Unerkannt. Koloniale Fotografien Paula Zwolenski

 

Literatur

  • Renate Angermann: "Anna Held, Paul Matschie und die Säugetiere des Berliner Zoologischen Museums", in: Bongo, Bd. 24, Berlin 1994, S. 107–138. 
  • Julia Bärnighausen et al. (Hg.): Foto-Objekte. Forschen in archäologischen, ethnologischen und kunsthistorischen Sammlungen, Bielefeld 2020.
  • Katrin Böhme und Sabine Hackethal: "Kurzmitteilung. Das 'THEATRUM NATURAE' von 1615: der Weg einer Bildersammlung", in: Zoosystematics and Evolution, Jg. 76 (2000), H. 1, S. 155–156.
  • Peter Braun (Hg.): Objektbiographie: Ein Arbeitsbuch, Weimar 2015.
  • Costanza Caraffa: "'Wenden!': Fotografien in Archiven im Zeitalter ihrer Digitalisierbarkeit: ein material turn", in: Rundbrief Fotografie, Jg. 18 (2011), H. 3, S. 8–15.
  • Elizabeth Edwards und Janice Hart (Hg.): Photographs Objects Histories: On the Materiality of Images, New York 2004.
  • Sabine Hackethal: "Die Historischen Schrift- und Bildgutsammlungen im Museum für Naturkunde und ihre Bedeutung für Sammlungsarbeit und Forschung", in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt-Universität zu Berlin, Jg. 38 (1989), H. 4, S. 353–358.
  • Dies.: "Die Portraitsammlung des Berliner Zoologischen Museums als Bestandteil der Historischen Schrift- und Bildgutsammlungen des Museums für Naturkunde Berlin", in: Neue Museumskunde, Jg. 32 (1989), H. 4, S. 255–261.
  • Anita Hermannstädter, Ina Heumann und Kerstin Pannhorst (Hg.): Wissensdinge. Geschichten aus dem Museum für Naturkunde Berlin, Berlin 2015 sowie die 2., aktualisierte und erweiterte Auflage, Berlin 2020.
  • Hannelore Landsberg: "'Die Wissenschaft wird streng und nüchtern richten ...' (Carl Chun 1900) 100 Jahre Deutsche Tiefsee-Expedition Valdivia", in: Verhandlungen zur Geschichte und Theorie der Meeresbiologie, hg. v. Deutsche Gesellschaft für Geschichte und Theorie der Biologie, Bd. 5, Berlin 2000, S. 75–90.
  • Yvonne Reimers: Bewertung und Übernahme im Museumsarchiv am Beispiel der Historischen Bild- und Schriftgutsammlungen des Museums für Naturkunde Berlin, unpublizierte Hausarbeit, Fachhochschule Potsdam, Potsdam 2020.
  • Mareike Vennen: "Arbeitsbilder – Bilderarbeit. Die Herstellung und Zirkulation von Fotografien der Tendaguru-Expedition", in: Dinosaurierfragmente. Zur Geschichte der Tendaguru-Expedition und ihrer Objekte 1906–2018, hg. v. Ina Heumann et al., Göttingen 2018, S. 56–75.