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Unterirdisches Leben: Wühlen, graben, buddeln in der Urzeit

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Kratzspuren aus der Tambach-Formation in Deutschland, frühes Perm
Pressemitteilung,

Ein Forschungsteam um Erstautor Dr. Lorenzo Marchetti vom Museum für Naturkunde Berlin hat erstmals das Grabverhalten von Wirbeltieren aus dem langen Zeitraum von Devon bis Trias untersucht. Sie lebten also vor etwa 400 bis 200 Millionen Jahren – auch unterirdisch. Einige der untersuchten Fossilien wurden im Rahmen des laufenden BROMACKER-Forschungsprojekts entdeckt. Die Erforschung grabender Wirbeltiere der Fossillagerstätte im Thüringer Wald lässt über Vergleiche mit anderen Funden weltweit Schlussfolgerungen über Ursprung und frühe Evolution des Grabverhaltens von Wirbeltieren zu. Sie liefert außerdem neue Erkenntnisse über den klimatischen Wandel auf unserer Erde. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Earth-Science Reviews veröffentlicht.

Die Fähigkeit, unter der Erde zu leben, ist unter kontinentalen Wirbeltieren heute weit verbreitet. Das Wissen um den Ursprung und die frühe Evolution grabender Wirbeltiere sowie die Architektur und Funktion der von ihnen gegrabenen Höhlen leistet einen wichtigen Beitrag zu unserem Verständnis der Evolution des Lebens auf der Erde.

In Devon und Karbon dienten Erdhöhlen wahrscheinlich in erster Linie dazu, sich in Hitzeperioden zurückzuziehen und in eine Art Trockenschlaf zu verfallen (Ästivation). Bisher waren die Belege für grabende Wirbeltiere auf europäische und nordamerikanische Fundorte beschränkt. Früheste Belege – dazu gehören Skelettanpassungen an das Graben sowie fossile Grabbauten – gibt es bei Lungenfischen (Dipnoi) seit dem Devon (vor ca. 400 Millionen Jahren) und bei kleinen spezialisierten Landwirbeltieren (der Gruppe Recumbirostra) seit dem Karbon (vor ca. 320 Millionen Jahren).

Im Perm (vor ca. 295 Millionen Jahren) entwickelten weitere Gruppen der Landwirbeltiere wie diapside Reptilien und Synapsiden (Säugetierverwandte) die Fähigkeit zum Graben. Unterirdische vertikale und horizontale Höhlen wurden als permanenter Unterschlupf oder zur Fortpflanzung genutzt. Im Perm kam es zu einer größeren räumlichen Verbreitung der grabenden Wirbeltiere – besonders auch solcher mit mittleren Körpergrößen – sowie zu einer Zunahme der Häufigkeit und Komplexität der Höhlen. Dieser Trend geht mit einer Klimaerwärmung und der Ausbreitung warmer und trockener Lebensräume noch vor dem großen klimatischen Umbruch und Massenaussterbeereignis am Ende des Perms einher.

Nach dem Massenaussterben am Ende des Perms wurden Spuren von grabenden Wirbeltieren zu einem häufigen und weit verbreiteten Merkmal kontinentaler Lebensräume, so zum Beispiel von Auengebieten, wo sie wahrscheinlich als Folge der sich verändernden Flussläufe nun oft erhalten blieben.

In der Trias wurde das Grabverhalten bei noch mehr Gruppen nachgewiesen, neben den verschiedenen überlebenden Gruppen der Säugetierverwandten sind unter anderem kleinen Urreptilien (Procolophonidae) und Amphibien (Temnospondyli) zu nennen. Die ersten komplexen Höhlen, die eindeutig als dauerhafte Unterschlupfmöglichkeiten genutzt wurden, traten bereits in der frühen Trias vor ca. 250 Millionen Jahren auf. Es gibt Hinweise auf eine gemeinsame Nutzung von Höhlen durch verschiedene Wirbeltiergruppen. Grabende Landwirbeltiere hatten zudem einen zunehmenden Einfluss auf die Gestalt, Vielfältigkeit und Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen und ihre Stoffkreisläufe. Sie wirkten also als sogenannte "Ökosystem-Ingenieure" ("ecosystem engineers").

Publikation: L. Marchetti, M.J. MacDougall, M. Buchwitz, A. Canoville, M. Herde, C.F. Kammerer and J. Fröbisch. Origin and early evolution of vertebrate burrowing behavior. Earth-Science Reviews 250 (2024). https://doi.org/10.1016/j.earscirev.2024.104702
 

Spiral burrow infill, bottom view. Tambach Formation, early Permian, Germany. Scale bar = 10 cm Lorenzo Marchetti, Museum für Naturkunde Berlin
Spiral burrow infill ending in an enlarged chamber, lateral view. Teekloof Formation, middle Permian, South Africa. Scale bar 10 cm. Lorenzo Marchetti, Museum für Naturkunde Berlin
Scratch trace sets, top view, late Permian, Germany. Scale bar = 5 cm. Lorenzo Marchetti, Museum für Naturkunde Berlin
Batropetes palatinus, dorsal view. Meisenheim Formation, early Permian, Germany. Scale bar = 1 cm. Lorenzo Marchetti, Museum für Naturkunde Berlin
Diictodon feliceps, two individuals, dorsal view, middle Permian, South Africa. Scale bar = 5 cm. Lorenzo Marchetti, Museum für Naturkunde Berlin
Cistecephalus microrhinus, dorsal-lateral view, late Permian, South Africa. Scale bar = 5 cm. Jörg Fröbisch, Museum für Naturkunde Berlin
Burrow chamber between sandstone and mudstone layers, front view. Tambach Formation, early Permian, Germany. Lorenzo Marchetti, Museum für Naturkunde Berlin
Scratch trace sets, bottom view, plaster cast. Tambach Formation, early Permian, Germany. Scale bar = 10 cm. Lorenzo Marchetti, Museum für Naturkunde Berlin

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