Direkt zum Inhalt

Entwicklung des Lautrepertoires einer babbelnden Fledermaus

Babbelnde Jungtiere sind an der dunkleren Fellfarbe und dem geöffneten Maul zu erkennen. Die Mutter hat eine hellere Fellfarbe (Hintergrund).

„Würde ich Menschen untersuchen, dann würde man sagen, ich schaue wie sich die Sprache entwickelt“, sagt Ahana Fernandez, Doktorandin am Museum für Naturkunde Berlin. Ihre tatsächlichen Untersuchungsobjekte hat die Biologin in Mittelamerika gefunden: Große Sackflügelfledermäuse (Saccopteryx bilineata).

Silbe für Silbe

Ahana Fernandez berichtet, dass das Besondere bei dieser Art ein großes Repertoire an Lautäußerungen ist, das aus sehr vielen verschiedenen Elementen besteht. Diese Elemente werden Silben genannt und könnten zu mehrsilbigen Rufen und sogar Gesängen zusammengesetzt werden. Einen Teil dieses Repertoires lernen die Jungtiere, indem sie einem Tutor zuhören. Dazu gehören die Territorialgesänge, mit denen singende Männchen ihre Reviere akustisch abstecken.

Die Territorialgesänge bestehen aus bis zu sechs verschiedenen Silbentypen, die Melodien von weniger als zwei Sekunden Länge bilden. Die Gesänge haben Syntax, das heißt festgelegte Silbenfolgen. Zum Teil sind sie auch für Menschen hörbar. Fernandez zeichnet sie mit Richtmikrofonen auf und macht in Spektrogrammen auch den für Menschen nicht hörbaren Teil sichtbar. Spektrogramme sind grafische Darstellungen der Frequenz und Abfolge der Rufe.

Die Jungtiere erlernen die Gesänge, indem sie sie imitieren. Sie beginnen im Alter von etwa zwei Wochen und zunächst nur mit einzelnen Rufen, die sie oft wiederholen – ganz so wie menschliche Kleinkinder im Alter von etwa einem halben Jahr beginnen zu babbeln, bis sie einzelne Silben wie „ma“ oder „ba“ beherrschen. Die Jungtiere lernen in dieser ungefähr achtwöchigen Babbelphase nicht nur den Territorialgesang, sondern üben auch alle anderen Silben ihres Repertoires. Bis jetzt ist noch nicht klar, ob sie diese auch durch Imitation erlernen.

Fledermäuse verstehen

Es gibt weitere Charakteristika, die diese Babbelphase der Fledermäuse mit der des Menschen gemein hat. Dazu gehören neben den Wiederholungen eine Rhythmik, das Herauspicken einzelner Silben für die Sprachübungen und der frühe Zeitpunkt in der körperlichen Entwicklung, in der das Babbeln einsetzt. Das Babbeln ist zudem universell: Fernandez beobachtet es bei getrennten Populationen in Panama und Costa Rica.

Große Sackflügelfledermäuse rasten tagsüber relativ gut sichtbar an Baumstämmen oder Hauswänden und die Tiere halten dabei einen Individualabstand zueinander, was die Aufnahmen erleichterte. Außerdem kann bei diesen Fledermäusen die Entwicklung der Lautäußerungen im Detail beobachtet werden, was bei anderen vokalen Lernern wie Elefanten oder Delfinen und auch bei anderen Fledermausarten deutlich schwieriger ist. Nach einer Gewöhnungsphase konnte die Biologin die Tiere aus der Nähe beobachten und Aufnahmen machen.

Ihre Erkenntnisse sollen auch zum Verständnis der Evolution menschliche Sprache beitragen. Bislang wurden vor allem Singvögel untersucht, Studien an Fledermäusen erlauben ebenfalls Rückschlüsse auf die Entwicklung komplexer Lautrepertoires.

Projekt-Titel:

Vokale Ontogenie in der babbelnden Fledermaus Saccopteryx bilineata – ein biolinguistischer Ansatz

Finanzierung:

Elsa-Neumann-Stipendium des Landes Berlin